Thurner, M: Elfenzeit 18: Rache der Verbannten
die elfischen Gegner; sie schoben die Wogen des Hasses vor sich her, nutzten sie als Waffe und würden erst wieder zu sich selbst finden, wenn der letzte Feind vernichtet war.
Alebin zögerte. Sollte er das Tor
trotz allem
schließen und die Schmetterlingsflügel zu neuem Leben erwecken? Sollte er riskieren, dass Thanmórs Truppen wie mit einem Fallbeil in zwei Hälften geteilt wurden?
Er musste den Dingen ihren Lauf lassen. Außerdem: Was sollte ihm schon passieren? Fanmór und Bandorchu hatten keine Ahnung, welch schrecklicher Gegner ihnen gegenüberstand. Und selbst wenn: Wer würde diese Wellen von Hass neutralisieren und die Verdammten besiegen können?
Der Elf trat beiseite und sah zu, wie die Schlacht um Lyonesse ihren Lauf nahm.
Die Ruhenden Streitkräfte drangen ins Reich der Menschen vor. Sie taten es in unheimlicher Ruhe; so als wollten sie in ihrer Konzentration nicht gestört werden und sich mit all ihren Sinnen am Untergang ihrer Gegner laben.
Bald war der letzte Verdammte im Nebel verschwunden. Weit entfernt war Schlachtenlärm zu hören. Hastig geschriene Beschwörungen, der Klang von Schwert auf Schwert, das Schleifen eines Messers über einen Harnisch. Der letzte, gequetschte Atemzug eines Kriegers.
Alebin lehnte sich gegen einen Stein und lächelte. Im Grunde genommen hatten ihm Fanmór und Bandorchu die Arbeit erleichert. Sie hatten den Schauplatz der Entscheidungsschlacht zu ihm verlegt. Wenn dieser Tag zu Ende war und der Sieg ihm gehörte, würde er in triumphaler Pose in Tara einmarschieren, um gleich danach dem Baumschloss der Sidhe Crain seine Aufwartung zu machen. Bald war er am Ende all seiner Wünsche angelangt, bald …
Er fuhr herum. Irritiert, erschrocken. Da war etwas … Neues. Im Schloss. In
seinem
Palast! Es machte sich breit, wuchs, gewann in Sekundenschnelle die Kraft eines Orkans, brauste heran.
Alebin ließ sich flach auf den Boden fallen, obwohl er ganz genau wusste, dass dieses Unbekannte nicht gegen seine Physis, sondern gegen seinen Geist gerichtet war.
Nein! Die Attacke galt nicht ihm. Sie zielte auf die Ruhenden Streitkräfte ab – und sie traf. Punktgenau.
Nein. Nein!
Nicht jetzt, nicht hier! Keine weitere Niederlage!
Er hörte ungewohnte Laute und sah, wie die Klingenspeier, Häckselraufer, Haudrauflinge und Schlingwurxe flüchteten. Sie strömten zurück durchs Tor nach Lyonesse. Ihre Gesichter zeigten grenzenlose Überraschung. Widerwillen. Schmerz.
Angst.
Einer von ihnen, ein grobschlächtiger Klingenspeier, fiel zu Boden und verendete dort. Ein zweiter stürzte über ihn, dann ein dritter.
Alebin ahnte, nein, er wusste, was dort geschah. Aber wieso …?
Er musste das Tor schließen. Sofort.
Die Worte und Gesten wollten ihm nicht einfallen. Jemand nahm Einfluss auf seinen Geist und verhinderte, dass er seine elfischen Fähigkeiten abrufen konnte. Er war hilflos; er war magisch tot.
Nur nicht den Kopf verlieren
…
So rasch ihn seine Füße trugen, eilte er zurück zum Schloss. Er konnte es rechtzeitig schaffen, er
musste!
Hinter ihm wurde gestorben. Die Ruhenden Streitkräfte des Thanmór erlagen einer Kraft, die der des Zornes ebenbürtig, wenn nicht gar überlegen war.
Am großen Tor zum Rosen-Palast schubste er die Wächter rücksichtslos beiseite. Dann stürmte er am Thronsaal vorbei. »Koinosthea, zu mir!«, schrie er, ohne innezuhalten. Im Palast herrschte dieselbe Verwirrung wie vor dem Tor nach Merlin’s Cave; es kümmerte ihn nicht. Überall herrschte Chaos – Ausdruck seines Problems, aber nicht dessen Ursache.
Jemand stellte sich ihm in den Weg.
Ein Feind? Hier?
Alebin scherte sich nicht weiter um ihn, drängte sich an aufgeschreckt umhereilenden Gestalten vorbei und warf sich mit aller Kraft gegen die Tür, die zu seinem Gegner führte.
Da war er.
Talamh, das Kind zweier Welten. Das Kind der Liebe, das alles rings um sich zum Erblühen brachte. Gemeinsam mit seinem Vater, dieser jämmerlichen Gestalt, die wenige Meter von ihm entfernt scheinbar kraftlos in einem Stuhl hing, strahlte es einen Schwall widerlicher, glückselig machender Impulse in Richtung der Ruhenden Streitkräfte aus.
Alebin stieß die völlig verdatterte Margarethe beiseite, schob den Vorhang der Krippe auf – und stand Nadja gegenüber. Sie hielt ein Kurzschwert in der Hand und richtete es drohend auf ihn.
»Es ist vorbei«, sagte die Mutter des Balgs. »Du hast verloren.«
»Widerliches Menschenweib!«, schrie Alebin, völlig außer sich. »Ich hätte
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