Thurner, M: Elfenzeit 18: Rache der Verbannten
einer solchen oder einer ähnlichen Antwort gerechnet. Die beiden Kontrahenten waren so berechenbar, so leicht zu durchschauen … »Ihr habt noch immer nicht verstanden, auf was ihr euch eigentlich einlasst«, sagte er und bedeutete einer Wache, Nadja in den Vordergrund zu schieben. Bandorchu und Fanmór sollten sie in ihrem Blickfeld haben. »Bedeutet sie euch wirklich nichts? Ist es euch einerlei, wenn ich sie einem meiner treuesten und ewig hungrigen Helfer überlasse?«
Alebin schnippte mit den Fingern. Die Bestie löste sich von ihm, tat einen Sprung auf Nadja zu, riss sie mit sich, überschlug sich einmal mit ihr – und kam auf ihr zu liegen. Gierig grub sie ihre langen Fangzähne in das Fleisch Nadjas menschlicher Hände und Schultern. Selbstverständlich spielte das Ungeheuer mit seinem Opfer und fügte ihm lediglich oberflächliche Wunden zu. Doch das Publikum im Thronsaal, darunter auch der Kau und Cor, stöhnte und schrie entsetzt auf. Blut floss, überall an Nadja zeigten sich Wunden. Shumoonya knurrte und fauchte; sie riss und zerrte an der völlig wehrlosen Frau, die nicht einmal mehr die Kraft fand, die Arme vors Gesicht zu schlagen. Nadja kreischte entsetzt. Alebin nahm mit Genugtuung zur Kenntnis, dass sie
damit
wirklich nicht gerechnet hatte.
»Aus!«, herrschte er die Bestie an. Augenblicklich ließ das Tier von Nadja ab und kehrte zu ihm zurück, um sich an seinen Beinen zu reiben.
Abermals blickte er in den Sud der Zabang-Pflanze und überprüfte die Reaktionen seiner beiden Gesprächspartner. Fanmór tat sich sichtlich schwer, die Ruhe zu bewahren; Bandorchu gab sich weit gelassener. Außer einem gerüttelten Maß an Hass empfand sie wohl nichts für Nadja.
Mit einem Wink ließ Alebin seiner Gefangenen von einem Wachelfen aufhelfen. Zauberkundige Mediker würden sich um sie kümmern. In wenigen Stunden würde nichts mehr von den Narben zu sehen sein, die die Bestie geschlagen hatte. Doch die Angst und der Respekt vor dem unheimlichen Raubtier begleiteten sie sicherlich für den Rest ihres Lebens.
»Mein kleines Haustier wird sich selbstverständlich auch um Dafydd kümmern, wenn ich es von ihm verlange.« Alebin lächelte. »Derzeit ist dein Sohn leider unabkömmlich, Fanmór; er hängt in einer wichtigen Besprechung mit einem meiner Mitarbeiter fest.«
»Du wirst meinem Sohn kein Härchen krümmen«, drohte Fanmór, »sonst …«
»Sonst spuckst du mich tot, mein König?«, spottete Alebin. »Ach nein, dazu brauchtest du ja Zugriff auf Lyonesse … Genug gescherzt, Fanmór. Du kannst mir nicht drohen, und du bist auch nicht in der Position, irgendwelche Dinge von mir zu verlangen.«
Er schnippte ein weiteres Mal. Margarethe, die Amme, näherte sich ihm. Sie trug einen Korb, von dessen Rändern lange, von Blüten übersäte Ranken herabhingen. Ihr sonst so verhärmtes Gesicht zeigte Sorge. Vorsichtig stellte sie den Korb auf dem Boden ab.
Alebin griff zwischen die Decken und zog den Sohn des Frühlingszwielichts hervor. Talamh war ungewöhnlich schwer. Er gluckste unruhig und nuckelte im Halbschlaf an seinem rechten Daumen.
»Nein!«, rief Nadja. »Lass mein Kind in Ruhe!« Trotz ihrer Verletzungen wollte sie ihn schützen, doch zwei Elfen mit ausdruckslosen Gesichtern hielten sie fest.
»Da haben wir ihn, den Hoffnungsträger mehrerer Welten.« Alebin hielt das Balg hoch in die Luft. Talamh wirkte unruhig; immer lauter wurde sein Gequengel, immer fahriger wurden seine Bewegungen.
»Er ist das, was ihr beide wirklich wollt, nicht wahr? Wer das Kind in seine Hände bekommt, besitzt auch den Schlüssel zu schier unbegrenzter Macht. Für ihn würdet ihr
alles
tun, dessen bin ich mir sicher.« Alebin senkte seine Arme und blickte dem kleinen Geschöpf in die Augen. Es wirkte verwirrt und keinesfalls so konzentriert, wie es Alebin bereits gesehen hatte. Ahnte Talamh, was auf ihn zukam?
»Ein falscher Zug von euch, und das Kind stirbt. Ein weiterer Versuch, den Bannzauber rings um Lyonesse zu durchbrechen, und das Kind stirbt. Eine weitere Forderung oder Drohung, und das Kind stirbt. Talamh hat keinerlei Bedeutung für mich. Mein Reich beruht auf Magie, den Energieströmen der Ley-Linie und der Leidensfähigkeit Dafydds. Er hingegen …« Alebin nickte in Richtung des Kindes. »Er wird leiden, wenn ihr einen Fehler begeht. Seht gut zu und begreift, was ihm blüht, wenn ihr meinen Worten nicht Folge leistet.«
Damit griff Alebin nach dem Dolch an seiner Seite und zog ihn aus der
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