Thurner, M: Elfenzeit 18: Rache der Verbannten
da die Gram ihr Gesicht verzog und sich eine ungesunde Blässe auf ihren Wangen ausbreitete, wirkte sie unglaublich attraktiv. Vielleicht würde er einen neuen Versuch unternehmen, sie für sich zu gewinnen, sobald er zurückkehrte.
Falls
er zurückkehrte.
»Ich bin nicht dumm«, sagte er. »Ich kann mir vorstellen, dass Bandorchu oder Fanmór Möglichkeiten finden, mit dir in Kontakt zu treten. Aber gib dich keinen falschen Hoffnungen hin: Es wird nie und nimmer zu einem Befreiungsversuch kommen. Die Bannzauber, die Lyonesse umgeben, sind zu stark. Dafür habe ich gesorgt.«
»Mit deinen Prahlereien kannst du nicht einmal alte Omis hinter ihren Öfen hervorlocken!«, erwiderte sie abfällig. »Deine Tage sind gezählt, Alebin. Wenn du erwartest, dich hinter magischen Mauern zu verstecken und der geballten Kraft zweier Wesen wie Bandorchu und Fanmór für alle Zeiten zu entkommen, bist du noch viel dümmer, als ich geglaubt hatte. Du läufst sehenden Auges in den Untergang, Verräter.« Ihr Stimmfall wurde weicher und sanfter. »Lass es sein, Alebin! Gib uns frei. Lass mich gemeinsam mit David und Talamh zum Baumschloss zurückkehren, und ich garantiere dir, dass ich am Hof ein gutes Wort für dich einlege …«
Alebin hatte Mühe, Haltung zu bewahren. Er konnte und wollte nicht glauben, dass eine derart große Portion Frechheit in diesem zarten Persönchen steckte. »Ich verspreche dir«, sagte er mit nur schwer unterdrücktem Zorn, »dass du noch heute, bevor die Sonne untergeht, vor mir auf den Knien rutschen und mich anbetteln wirst, meine Sklavin sein zu dürfen.«
»Willst du deine Zauberkunststückchen an mir ausprobieren? Hat dir Koinosthea ein Giftgetränk zusammengemischt, mit dem du mich hörig machen möchtest? Ich wüsste keinen anderen Weg, wie du mich in die Knie zwingen könntest. Und wenn du es tatsächlich mithilfe von Magie schaffst: Wie groß wäre dann deine Befriedigung? Ist es das, was du möchtest: ein tumbes Weibchen, das dir bedingungslos hörig ist?«
Alebin fand zu seiner Gelassenheit zurück. Nadja wollte ihn provozieren, ganz klar. »Warten wir es ab, schöne Frau. Du wirst schon sehen …«
Sobald seine Reisevorbereitungen beendet waren, rief er die Bestie an seine Seite. Ein klirrend kalter Tag ging zu Ende, und vor den Toren von Lyonesse waren die Kämpfe neu entfacht. Bandorchu reinigte Land’s End von den Menschen, um ihre Truppen in Stellung zu bringen. Fanmór war mit dreihundert Helfershelfern in die Menschenwelt gereist, um die Truppen der Dunklen Königin in Scharmützel zu verwickeln und gleichzeitig den Menschen Gelegenheit zu geben, von diesem schrecklichen Kriegsschauplatz zu entkommen.
Der Getreue zog indes einsame Kreise um die Bannmauern, stets auf der Suche nach einem Schlupfloch, das er für seinen breiten Körper und den noch breiteren Geist erweitern konnte.
Alles versammelte sich. Alles drängte sich an den kaum greifbaren, kaum sichtbaren Grenzen von Lyonesse. Alebin musste dafür sorgen, dass das überhitzte Klima abkühlte und sich die Stimmungslage bis zu seiner Rückkehr nicht weiter erwärmte. Er wusste, was er zu tun und zu sagen hatte.
»Zu mir, Doolin!«, befahl er dem Buckligen. »Tu dein Werk!«
Nur ausgewählte Personen befanden sich im Thronsaal. Doolin zwängte sich an ihnen vorbei und trat vor bis zur untersten Stufe des mittleren Throns.
Zögerlich legte er sein Hemd ab. Er strich es glatt und legte es akkurat zusammengefaltet vor sich auf die erste Stufe. Ein Raunen ging durch die Menge, als der Buckel sichtbar wurde. Die meisten Anwesenden kannten das Ausmaß der Verkrüppelung dieses Dieners, dennoch wurden sie immer wieder aufs Neue überrascht.
Das Pflanzenwesen, das sich vor langer Zeit Platz auf Doolins Rücken geschaffen hatte, entfaltete sich nun. Schwere Blätter flappten zu Boden und entrollten sich; eine fahle Blüte ging müde auf. Mehrere unbesamte Stempel reckten und streckten sich vergeblich auf der Suche nach natürlichem Sonnenlicht.
Die Blätter wirkten wie Flügel; doch sie waren so schlapp, so kraftlos. Dieses Mischwesen würde sich niemals in die Lüfte erheben. Weder Doolin noch die Zabang-Pflanze, die in den fernen und entlegenen Hochgebirgsregionen der Elfenwelt gedieh, profitierten von ihrer seltsamen Allianz. Beide betrachteten es als Strafe, aneinander gebunden zu sein – und waren dennoch gezwungen, den Rest ihres erbärmlichen Lebens miteinander auszukommen. Die Zabang war zu tief in Doolins Fleisch
Weitere Kostenlose Bücher