Thurner, M: Elfenzeit 18: Rache der Verbannten
Scheide.
»Nein!«, schrie Nadja erneut. Sie wehrte sich mit Händen, Füßen und den Kräften einer Löwin, die ihr Kind beschützen wollte, gegen den Griff ihrer Wärter. Ihr Kleid war über und über mit Blut bedeckt, doch Nadja scherte sich nicht um ihre Wunden und ihre Schmerzen.
Alebin schenkte ihr keinerlei Beachtung. Stattdessen führte er die Klinge langsam an das rechte Handgelenk des Säuglings – aus den Augenwinkeln sah er, wie sowohl Bandorchu als auch Fanmór die Maske der Gleichgültigkeit endgültig ablegten – und drückte sie ins Fleisch des Kleinen. Blutstropfen quollen daraus hervor. Panisch wollte das Kind sich aus Alebins Griff befreien. Es schrie so laut, dass die Kristalllüster zu schwingen begannen und die Versammelten allesamt mehrere Schritte zurück taten.
Alle – ausgenommen die Mutter, die ihren Kampf nicht aufgab und sich wie wild zwischen den Armen der Elfen wand. Ein dritter Wächter kam hinzu und wollte sie an den Beinen packen; Nadja erwischte ihn mit einem Tritt im Magen, woraufhin der für einen Elfen kräftig gebaute Mann mit schmerzverzerrtem Gesicht zusammenbrach.
Und Alebin drückte nochmals mit dem Messer zu. Die Blutspur wurde dicker und breiter, das Baby wehrte sich …
»Ich flehe dich an«, stöhnte Nadja. Sie war kraftlos zu Boden gefallen und stützte sich mühsam auf die Knie hoch. »Lass Talamh in Ruhe. Ich mache alles, was du von mir verlangst. Willst du, dass ich mit dir schlafe? Möchtest du, dass ich vor dir krieche und den Staub von deinen Schuhen küsse?«
»Würdest du das denn wirklich wollen?« Alebin genoss den Triumph. Er hatte es Nadja prophezeit. Sie würde vor ihm niederfallen und tun, was immer ihm beliebte.
»Genug!«, unterbrach Bandorchu das Schauspiel.
Alebin wandte sich ihr zu, ohne den Druck auf Talamhs Arm zu verringern. Die Dunkle Frau wirkte noch blasser als sonst. Sie hielt die Hände weit von sich, als könnte sie sich durch diese Geste den Blick auf den kleinen Wurm ersparen. »Ich habe verstanden und stimme deinen Forderungen zu. Meine Truppen ziehen sich augenblicklich zurück. Du hast von mir nichts mehr zu befürchten. Ich verspreche es.«
Interessant. Bandorchu knickte vor ihrem alten Widersacher ein. Lag das etwa an Resten eines sonst sorgsam unterdrückten mütterlichen Instinkts? War diese Reaktion eine
Frauensache?
»Wie steht es mit dir, König?«, fragte Alebin. Er befühlte den weichen, schwachen Knochen von Talamhs Armgelenk. Mit zwei Fingern könnte er ihn brechen und das Baby dauerhaft verkrüppeln.
»Lass ihn los«, sagte Fanmór leise. »Wir werden uns ebenfalls zurückziehen.«
»Sag
bitte
, alter Mann!«, forderte Alebin.
»Ich bitte dich darum, meinen Enkel zu verschonen.« Ein Murmeln.
»Wie war das? Ich kann dich nicht hören!«
Das lange, wallende Haar des Königs bewegte sich unruhig. »Ich bitte dich«, sagte er, lauter als zuvor. »Lass das Kind in Ruhe. Ich verspreche dir, dass wir Lyonesse verschonen werden.«
Alebin zog das Messer von Talamhs Arm und steckte es zurück in die Scheide. »Na also, ihr beiden. Nun seid ihr euch doch noch einig geworden! Ist das nicht ein bedeutender Fortschritt in eurem kleinen Beziehungsstreit? Aber ich bitte euch: Begrabt den Fehdehandschuh nicht meinetwegen. Ihr findet sicherlich tausend Gründe, um euch bis ans Ende aller Tage zu hassen. Und denkt daran: Es kommt zu keinen weiteren Verhandlungen. Ihr lasst Lyonesse von nun an in Ruhe, wenn ihr wollt, dass das Balg weiterlebt.«
Beide schwiegen, sprachlos angesichts seiner Forderungen. Alebin lächelte in sich hinein. Er würde noch einen draufsetzen. »Darüber hinaus werde ich euch in ein paar Tagen ein offizielles Papier zukommen lassen, in dem ich eure vollständige Unterwerfung verlange. Ihr werdet mir eine Verzichtserklärung unterschreiben, die mit einer magischen Bulle versiegelt wird, und ihr werdet einen Treueschwur leisten. Die Throne der Crain, Taras und Earrachs werden mir gehören. Habt ihr mich verstanden?«
Für eine kurze Weile labte er sich an der Verblüffung in den Gesichtern seiner beiden Gegner. Sollten sie ruhig glauben, dass er größenwahnsinnig geworden war und jeglichen Bezug zur Realität verloren hatte! Umso mehr würden sie um das Leben Talamhs fürchten.
Unsanft trat er Doolin in die Seite. Der Bucklige erwachte ruckartig aus seiner Trance. Er hörte auf, den Bildersud der Zabang-Pflanze durchzurühren, und die Übertragung endete. Bandorchus und Fanmórs Abbilder
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