Thursday Next 03 - Im Brunnen der Manuskripte
Havisham hatte mir aufgetragen, den Schatz der originellen Idee mit Verstand zu gebrauchen - und ich glaube, das hab ich getan. »Ist das genug?«
»Ja, das ist genug«, sagte der Auktionator, klemmte sich eine Lupe ins Auge und betrachtete den Splitter begierig. »Stück Nr. 79 wird hiermit vom Verkauf zurückgezogen. Miss Next, Sie sind stolze Besitzerin eines B-3-Rohlings.«
Die arme Lola hätte sich fast in die Hosen gemacht und umarmte mich fünf Minuten lang innig, während ihre Papiere ausgestellt wurden.
»Komm, Lola«, sagte ich. »Es wird Zeit, diesen Viehmarkt hier zu verlassen.«
Randolph fanden wir unten am Hafen. Er saß auf einem Poller und starrte mit leerem Blick auf die Text-See hinaus. Lola beugte sich zu ihm hinunter und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
Erschrocken fuhr Randolph hoch, und als er sah, wer da vor ihm stand, sprang er auf und schloss Lola in seine Arme. Tränen der Freude standen in seinen Augen.
»Ja!« sagte er. »Ich hab' es ganz ernst gemeint! Ganz ernst!«
»Lasst uns nach Hause gehen, meine Täubchen«, sagte ich.
Wir gingen zu Fuß zurück nach
Caversham Heights
. Lola und Randolph hielten Händchen und machten Pläne. Wie es schien, wollten sie ein Heim für unverschuldet in Not geratene Rohlinge eröffnen und überlegten, wie sie es finanzieren könnten. Natürlich hatte keiner von ihnen die nötigen Mittel, aber die Idee machte mich nachdenklich.
Meine Amtseinführung als Protokollführerin erfolgte eine Woche später, und gleich am nächsten Tag reichte ich beim Gattungs-Rat meinen Vorschlag zur Umwandlung von
Caversham Heights
in einen Kurort für Figuren ein, die vom strapaziösen literarischen Leben erschöpft waren und es nicht mehr aushielten, Tag für Tag und Jahr für Jahr dieselben ausgetretenen Wege zu gehen. Zu meiner größten Freude billigte der Gattungs-Rat den Vorschlag auf Anhieb - unter anderem deshalb, weil sich damit das Problem mit den Kinderreimfiguren elegant lösen ließ. Auch Jack Spratt war sehr erleichtert, er war froh, dass er die Verantwortung für das Schicksal des Romans nicht länger tragen musste, und schien die massiven Veränderungen, die nötig sein würden, um die Besucher unterzubringen, nicht weiter zu fürchten.
»Diese ganze Drogengeschichte werden wir weglassen müssen«, erklärte ich ihm, als wir ein paar Tage später zusammen beim Mittagessen saßen.
»Na und?« sagte er. »Ich hab sie nie besonders gemocht. Haben wir einen Ersatzboxer?«
»Die Boxgeschichte wird auch gestrichen.«
»Ah, verstehe. Was ist dem Geldwäsche-Plott, wo ich herausfinde, dass der Bürgermeister Bestechungsgelder kassiert hat? Das bleibt drin, oder?«
»In dieser Form ... nicht«, sagte ich vorsichtig.
»Oh, das ist auch weg? Haben wir wenigstens noch einen Mord?«
»Das ja.« Ich schob ihm das neue Expose über den Tisch, das ich am Tag zuvor mit einem Imaginator ausgetüftelt hatte.
»Aha!« sagte er, als er das Expose überflog. »Es ist Ostern in Reading - schlechte Zeit für Eier -, und Humpty-Dumpty wird zerbrochen am Fuß einer Mauer im schäbigsten Viertel gefunden ...«
Er blätterte weiter. »Was ist aus Dr. Singh, Madeleine, den namenlosen Polizeibeamten 1 und 2 und all den anderen geworden?«
»Alle noch da. Wir mussten ihnen zum Teil neue Rollen zuteilen, aber ich denke, es hält. Die einzige Figur, die sich nicht vom Fleck rühren wollte, war Ihre kleine Freundin, die Sexbombe Agatha Diesel - mit der werden Sie noch viel Spaß haben.«
»Mit der werd' ich schon fertig«, sagte Jack. Er blätterte zur letzten Seite, um zu sehen, wie alles ausging. »Sieht gut aus. Was sagen die Mündlis dazu?«
»Mit denen rede ich als Nächstes.«
Jack studierte immer noch die Einzelheiten des Exposes, als ich mich auf den Weg nach Norland Park machte. Humpty- Dumpty und seine Verbündeten belagerten das Hauptquartier von Jurisfiktion noch immer.
»Ah!« sagte er, als ich mich näherte. »Die Protokollführerin. Die drei Hexen hatten also doch recht.«
»Das haben sie eigentlich immer«, erwiderte ich. »Ich habe einen Vorschlag für Sie.«
Humpty kriegte große Augen, als ich ihm von meinen Plänen erzählte.
»Ein Kurort?« sagte er.
»Gewissermaßen. Sie müssten nur bitte die Mündlis koordinieren. Ich könnte mir vorstellen, dass es ihnen ein bisschen schwer fällt, sich mit erzählender Prosa zu arrangieren, nach all den Jahren in Zweizeilern mit Reimen. Sie selbst werden allerdings tot sein, wenn die Geschichte
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