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Thursday Next 03 - Im Brunnen der Manuskripte

Thursday Next 03 - Im Brunnen der Manuskripte

Titel: Thursday Next 03 - Im Brunnen der Manuskripte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasper Fforde
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clausus für jedes Buch eingeführt?«
    »Ja, genau«, sagte Snell.
    »Und was ist aus den fünftausend Mrs Danvers geworden?«
    »Ach, wir haben hier und da mal die Handlung eines Romans ein bisschen geändert, um sie unterzubringen. Aber es hat nicht viel genutzt. Die meisten arbeiten jetzt im Amt für Recht-Schreib und Komma-Setzung. Sie reißen Wörter auseinander oder setzen sie wieder zusammen, je nachdem.«
    »Je nachdem?«
    »Na ja, es hängt davon ab ... Ach, wissen Sie, so genau weiß das keiner.«
    Ich versuchte, das Thema zu wechseln. »Wie ist das eigentlich so?« fragte ich.
    »Wie ist was?«
    »Wie ist das so, wenn man fiktional ist?«
    »Ah!« sagte Snell langsam. »Fiktional - ja .«
    Zu spät merkte ich, dass ich zu weit gegangen war. Meine Frage war genauso taktlos, als hätte ich einen Hund nach der Staupe gefragt, glaube ich.
    »Da Sie eine Außenländerin sind, nehme ich Ihnen Ihre Neugier nicht übel«, sagte Snell schließlich. »Aber wenn ich Sie wäre, würde ich meine Nase nicht allzu tief in der Vergangenheit von Fiktionären hineinstecken. Wir bemühen uns alle, wir selbst zu sein - originäre Charaktere in einer riesigen Welt der Fiktion. Aber eben weil diese Welt so groß ist, haben wir kaum eine Chance - und das wissen wir auch. Nach dem Grundstudium in St. Tabularasa hin ich an die Dupin-Detektivschule gegangen. Ich habe Praktika in den Werken von Hammett, Chandler und Sayers gemacht und habe schließlich an der Krimi-Fakultät der Agatha-Christie-Universität mein Examen gemacht. Ich wäre wirklich gern ein Original geworden, aber dazu bin ich leider siebzig Jahre zu spät geboren.«
    Er dachte einen Augenblick nach. Es tat mir leid, dass ich die Frage gestellt hatte. Es war sicher nicht einfach, ein Verschnitt von allen möglichen früher geschriebenen Dingen zu sein.
    »Na, gut«, sagte er und trank seinen Kaffee aus. »Können wir zu unserer kleinen Tour aufbrechen?«
    Ich nickte.
    »Na, dann los.« Er nahm meine Hand und transponierte uns aus
Caversham Heights
auf die endlosen Korridore des Brunnens.
     
    Der Brunnen der Manuskripte war von der Anlage her durchaus vergleichbar mit der Großen Bibliothek - dunkles Holz, dicker Teppich, reihenweise Regale - aber damit endete die Ähnlichkeit auch schon. Vor allem war es sehr
laut
hier. Lieferanten, Handwerker, Ingenieure und Rohlinge liefen durch die Korridore, tauchten auf und verschwanden, bewegten sich in dieses Buch und jenes, bauten hier etwas auf und dort etwas ab, änderten, zerlegten und demolierten ganz nach den Wünschen der Autoren. Überall standen halboffene Kisten mit Einzelheiten, und viele Bewohner arbeiteten, aßen und schliefen in halbfertigen Häusern, Baracken und Notunterkünften. Zahllose Anschlagtafeln, Litfaßsäulen und Plakate machten Reklame für Konversationslexika, Schriftbilder, Reime, Spezialwörterbücher, Erzähltechniken, Versformen und Tausende von anderen literarischen Hilfsmitteln und Tricks. (5)
    »Herrje, ich glaube, ich empfange schon wieder Fußnotofon- Junkmail im Kopf«, sagte ich und hob die Stimme, um das Getöse zu übertönen. »Muss ich mir Sorgen machen?«
    »Ach, diese Werbesendungen kriegt man hier unten dauernd. Einfach ignorieren - und geben Sie auf keinen Fall Ketten-Fußnoten weiter.« (6)
    Ein stämmiger Mann, der Reklametafeln auf Rücken und Bauch trug, versuchte, uns Handzettel aufzudrängen, die »kernige Sprüche für den energischen Textschmied« versprachen.
    »Nein, danke«, sagte Snell hastig und zog mich weiter zu einer etwas stilleren Ecke zwischen der
Lyrische-Augenblicke- Boutique
und der
Klause zum Kapitelende
.
    »Wir haben sechsundzwanzig Stockwerke im Brunnen«, sagte er und zeigte auf die durcheinander hastende Menge. »Die meisten sind chaotische Romanfabriken, aber das unterste Stockwerk hat einen direkten Zugang zur Text-See - irgendwann müssen wir mal da runtergehen und zusehen, wie sie morgens die Kritzel-Kutter entladen.«
    »Was entladen die denn?«
    »Na, Wörter natürlich« - Snell lächelte - »Wörter, Wörter und noch mal Wörter. Die Grundbausteine der Literatur, die DNA der Geschichten.«
    »Aber man sieht gar nicht, dass irgendwelche Bücher geschrieben werden«, sagte ich und zeigte auf unsere Umgebung.
    »Ach, die Außenländer!« Er lachte. »Bücher sehen tatsächlich harmlos genug aus: Wörter auf weißem Papier, aber in Wirklichkeit sind sie eine äußerst komplexe Übertragungstechnologie, bei der kuriose schwarze Schnörkel zu Bildern

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