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Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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angeredet. Jerusha war überrascht. »Aber ich hatte auch mehrere Fehlgeburten ... drei ... und vier Kinder sind mir und meinem Mann geblieben. Es war schwer, sehr schwer ...« Sie preßte die Lippen zusammen. Jerusha wußte daß ihre Kinder mittlerweile groß waren, die Fehlgeburten mußten also bereits eine geraume Zeit zurückliegen. Seufzend fuhr Fairhaven fort: »Die Herrin gibt, und die Herrin nimmt uns manches wieder weg ... Wissen Sie, dort wo ich herkomme, auf den Inseln, sagt man, nach einer Geburt sollte sich eine Frau neun Tage lang schonen, bevor sie wieder zu arbeiten anfängt. Drei Tage für das Kind, drei Tage für die Mutter und drei Tage für die Herrin.«
    Jerusha lächelte matt. Das einheimische Schmerzmittel, das sie eingenommen hatte, machte sie benommen. Der kleine Vorrat an Medikamenten, den die Außenweltler zurückgelassen hatte, war längst verbraucht. »Aber ich bete die Herrin nicht an. Außerdem arbeite ich lieber, als vor mich hinzubrüten. Ich habe mich lange genug geschont.«
    Konstabler Fairhaven schüttelte so energisch den Kopf, daß die graumelierten Zöpfe wippten. »Trotzdem ist es ein kluger Rat. Man muß sich die Zeit nehmen, um zu trauern, andernfalls leidet man später noch mehr.«
    Jerusha kämpfte gegen die Verbitterung an, die in ihr aufwallte. Zu ihrer eigenen Verwunderung kam ihr plötzlich wieder ein Mann in den Sinn, der einmal unter ihrem Kommando gestanden hatte – ihr Assistent Gundhalinu. Sie erinnerte sich an den Tag, als er die Nachricht vom Tod seines Vaters erhielt. Sein unbeugsamer Kharemoughi-Stolz hatte ihm keinerlei Gefühlsregung gestattet, er schien von dem Verlust nicht einmal Notiz zu nehmen, bis sie ihn für den Rest des Tages vom Dienst befreite, damit er trauern konnte. Sie wandte sich ab und rieb sich die Augen.
    Ein gewaltiger Knall, dessen Echo wie ein Donner durch das Hafengewölbe nachhallte, enthob sie einer Antwort. Konstabler Fairhaven und Jerusha starrten einander an. »Ein Schiff ist heruntergestürzt«, erklärte Fairhaven, während Rufe und Stimmengewirr laut wurden. Zusammen mit anderen Leuten eilten sie zur Unglücksstelle. Noch ehe sie erkennen konnten, was hinter der Wand aus Leibern, die ihnen die Sicht versperrten, los war, hörten sie die Schmerzensschreie.
    Jerusha schob sich durch die Menge. Ein Blick genügte, und sie wußte Bescheid: wegen Reparaturarbeiten hatte man ein Schiff an einer Kette hochgezogen, die war gerissen, und der herabstürzende Rumpf hatte zwei Männer halb unter sich begraben. Helfer, so viele, wie sich gegen den Schiffskörper pressen konnten, bemühten sich bereits, die Last anzuheben, doch ein Ausleger des großen Katamarans hatte sich unter dem Pier verklemmt, und das Schiff rührte sich nicht von der Stelle.
    Jerusha sah die geborstene Kette auf den Dockplanken, und den Flaschenzug, der aus dem Bauch der Stadt, in dessen Schutz der Hafen lag, herunterhing. Ein Arbeiter lag bewußtlos oder tot in einer Blutlache, der andere stöhnte noch. Sie biß die Zähne zusammen und zwang sich dazu, das Geräusch zu ignorieren, denn jetzt brauchte sie einen klaren Kopf zum Nachdenken.
    Sie löste die Rolle Monofil von ihrem Gürtel. Dieses Seil, das aus einer einzigen synthetischen Faser bestand, trug sie immer bei sich, seit die Polizei-Fesseln der Hegemonie nicht mehr funktionierten. Während die Umstehenden ihr verständnislos zusahen, befestigte sie ein Seilende am letzten intakten Glied der zerborstenen Kette.
    Die Seilrolle warf sie nach oben, und dabei spürte sie wieder einen Wundschmerz in ihrem Leib, der ihr verriet, daß noch nicht alles wieder verheilt war. Erleichtert atmete sie auf, als die Rolle gleich beim ersten Versuch durch die Öffnung des Flaschenzugs fiel. In einer Spirale wirbelte das Seil nach unten und legte sich auf die Planken, doch keiner traf Anstalten, es aufzuheben. »Na, los doch!« rief Jerusha. Sie bückte sich und nahm das Seilende in die Hand. »Zieht das Schiff wieder hoch!« Die Männer murmelten etwas und glotzten sie kopfschüttelnd an.
    »Kommandantin«, mischte Konstabler Fairhaven sich ein. »Das Seil wird nicht halten. Die Leute wissen, daß es zerreißen muß, es ist viel zu dünn!« Mit dem Kinn deutete sie auf die geborstene Kette, die so dick war wie Jerushas Handgelenke.
    »Und ob es halten wird!« schrie Jerusha mit scharfer Stimme, während das Stöhnen des verletzten Arbeiters in ihren Ohren klang. »Das garantiere ich. Zieht endlich das Schiff hoch!«
    Zwei

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