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Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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Gewand enger um sich. Er war allein, halbnackt, hatte sich verirrt und nicht einmal einen Kreditchip bei sich, mit dem er ein Lufttaxi hätte bezahlen können. Die Ereignisse der letzten Stunden kamen ihm plötzlich wie ein verrückter Traum vor, doch die Tatsache, daß er hier stand, bewies, daß er sie wirklich erlebt hatte; denn ein Schlafwandler war er ganz gewiß nicht.
    »Bei den Göttern, was wird hier eigentlich gespielt?« fragte er die Wände, und als Antwort hörte er sein eigenes Echo. Warum dieser überstürzte, hektische Aufbruch aus dem unterirdischen Raum? Sollte das vielleicht ein letzter Test sein – wollten sie ihn auf die Probe stellen, indem sie ihn barfuß und ohne Kreditchip auf die verregnete Straße stellten und warteten, ob er nach Hause zurückfinden würde? Doch nein, dieser Gedanke war zu absurd. Da drinnen mußte etwas Unvorhergesehenes passiert sein, das nicht nur ihn in Schwierigkeiten brachte. Versuchte jemand anders, hinter die Geheimnisse des Survey zu kommen ... oder waren die inneren Zirkel doch nicht der Hort an Ordnung und Vernunft, wie man gemeinhin annahm? Zu abgekämpft, um darüber nachzudenken oder sich gar ernstliche Sorgen zu machen, schüttelte er den Kopf. Sie wollten mit ihm in Verbindung bleiben dann würde er sicher Aufschluß erhalten.
    »Fähre, Sah?« dröhnte ein Baß und hallte unheimlich von den Wänden wider.
    Als er den Kopf hob, rann ihm das Wasser von den Haaren in die Augen. Ein flacher Kahn mit hohem Bug glitt geräuschlos auf die kleine, hölzerne Anlegestelle zu, die beinahe direkt unter ihm lag. Im Heck stand ein Mann und stakte scheinbar mühelos mit einer langen Stange. Der Bootsmann trug das weite, graue Kapuzen-cape, das fast alle Einheimischen bevorzugten. »Damit sie keinen Schimmel ansetzen«, hatte sein Sergeant einmal gespottet.
    »Wohin willst du, Sah?«
    Gundhalinu trat auf den Anlegesteg hinaus und blickte ins Boot hinunter. Der Rumpf war silbergrau, wie das Wasser, der Nebel, und die Steine der Uferbefestigung ... doch das Innere des Kahns, die flache, breite Sitzbank, die kunstvollen Bugschnitzereien, waren mit komplizierten, grellbunten Mustern bemalt, die ungemein lebhaft wirkten.
    Gundhalinu versuchte einen Blick auf das Gesicht des Fährmanns zu erhaschen. Der größte Teil wurde von der grauen Kapuze überschattet, doch an der goldenen Tönung der Haut und den leicht schrägstehenden Augen erkannte er, daß es sich um einen Einheimischen handelte.
    »Sah?« wiederholte der Mann geduldig und lud ihn mit einer Handbewegung ein, ins Boot zu steigen.
    Gundhalinu zögerte. Er wußte, welch lächerlichen Anblick er bot, und bemühte sich, nicht daran zu denken. »Ich muß in die Obere Stadt zurück, aber ich habe kein Geld bei mir.«
    Der Mann lachte glucksend. »Und wie man sieht, kann man einem nackten Mann nicht in die Tasche greifen.«
    Gundhalinu grinste schief und zuckte die Achseln. »Trotzdem vielen Dank.« Er schickte sich an, fortzugehen.
    »Dann nehme ich dich umsonst mit, um deiner Gesellschaft willen«, sagte der Fährmann. »So früh läuft das Geschäft ohnehin noch nicht, und du siehst aus wie ein Fremder, fern von seiner Heimatwelt.«
    Gundhalinu schnellte so hastig herum, daß er beinahe auf dem glitschigen Pflaster ausgerutscht wäre.
    Vorsichtig kletterte er ins Boot hinunter und setzte sich auf die Bank. Dann wandte er sich an den Mann, der hinter ihm stand. »Das Universum ist unser aller Heimat.« Während er die rituelle Antwort murmelte, beobachtete er scharf sein Gesicht.
    »So ist es«, entgegnete der Fährmann unverbindlich. Dabei sah er ihn jedoch nicht an, sondern stieß sie mit der Stange vom Anlegesteg ab. Mit raschen, sicheren Bewegungen stakte er das Boot den Kanal entlang. Nach einer Weile meinte er: »Muß ja eine tolle Nacht gewesen sein, Sah.«
    »Das war es wirklich«, erwiderte Gundhalinu. »Allerdings. Er sah die Gebäude vorbeidriften wie Fragmente aus einem Traum, im Nebel schwimmend, wie wenn sie sich bewegen würden, und nicht das Boot.
    »Eine junge Dame, Sah? Und tauchte vielleicht plötzlich ein Ehemann auf?«
    Gundhalinu sah sich zu ihm um und schüttelte lächelnd den Kopf. »Nein.«
    »Dann hast du vielleicht zu viel geträumt?«
    »Was?« Er brach ab, weil ihm einfiel, daß die Einheimischen damit den Genuß von Drogen meinten. Doch wenn er recht darüber nachdachte, beschrieb dieser Ausdruck seine nächtlichen Erlebnisse am treffendsten. »Ja, das wird's gewesen sein.«
    Die Antwort

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