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Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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schien den Fährmann zufriedenzustellen, und er schwieg. Gundhalinu blieb gleichfalls stumm; zusammengekrümmt kauerte er auf der Sitzbank, sein gefühlloser, zitternder Körper sehnte sich nach Schlaf. Doch seine Gedanken gaben ihm keine Ruhe, unablässig kreisten sie um das wichtigste, das er in dieser Nacht erfahren hatte –
er konnte mit einer anderen Sibylle Verbindung aufnehmen.
    Also war sein Erlebnis am Feuersee kein Zufall gewesen. Er brauchte nur den Namen der Sibylle zu kennen – aber er kannte ihn ja, so wie er ihr Gesicht, ihren Körper und ihre Welt kannte ... Der Nebel wurde weißer und erinnerte ihn an Schneefelder ... an
Mond .. .
    »Wir sind da, Sah.«
    Mit einem Ruck kam er wieder zu sich; er mußte eingenickt sein. Als er sich umblickte, erkannte er den Memorial Arch, der die Grenze zwischen der Oberen und der Unteren Stadt von Foursgate markierte. Droben gab es festes Land und Straßen, drunten Kanäle und das Meer. Hier konnte er ein Transportmittel finden, dessen Fahrer eine Kreditnummer akzeptierte oder vor seinem Haus warten würde, bis er mit seinem Kreditchip zurückkam.
    Sachte klopfte das Boot gegen die Pfähle der Anlegestelle. Geschickt hielt der Fährmann den Kahn im Gleichgewicht, damit Gundhalinu aufstehen konnte.
    »Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll ...«, begann Gundhalinu, doch der Mann schüttelte den Kopf.
    »Keine Ursache, Sah. Aber laß dir von jemandem raten, der sich auf dieser Welt gut auskennt: Nimm dich in acht vor denen, die dir das antaten. Sie stopfen dir deinen Verstand mit ihren Träumen voll, bis du selbst nicht mehr klar denken kannst. Nicht alles, was sie dir sagen, ist die Wahrheit, und was sie von dir verlangen, ist nicht immer harmlos. Sei auf der Hut, wenn du dich in ihren Kreisen bewegst.« Er streckte den Arm aus, um Gundhalinu zu helfen, den schwankenden Kahn zu verlassen und sicheren Boden zu gewinnen.
    »Ja«, murmelte Gundhalinu beunruhigt, »ja, ich werde mir's zu Herzen nehmen ... Als er die dargebotene Hand des Fährmanns ergriff, spürte er, wie dieser ihm mit den Fingern das unmißverständliche Zeichen gab. Er erwiderte es und merkte, wie der Händedruck fester wurde, ehe er auf die Anlegestelle trat.
    »Sei gesegnet, Sah«, sagte der Fährmann. »Nicht jeden Tag habe ich die Ehre, einen so berühmten Mann wie Euch zu befördern ...« Er stieß das Boot vom Anlegesteg ab.
    »Warte!« Mit Gesten bedeutete Gundhalinu dem Mann, er möge zurückkommen. Aber der hob die Hand zum Abschiedsgruß, während das Boot durch den Nebel davontrieb.
    Gundhalinu blieb stehen und sah ihm hinterher, bis er aus seinem Blickfeld verschwand.
     

ONDINEE
Razuma
    K edalion Niburu lehnte sich gegen die warme Seite des Hovercraft. Während er auf Reede Kullervos Rückkehr wartete, atmete er die trockene, würzige Luft auf dem Marktplatz ein und beobachtete die farbige Szene mit gemischten Gefühlen. Er blickte über die Straße auf eine mit Eisenspitzen bewehrte Schlammziegelmauer. Hinter dem wuchtigen Holzportal schrie jemand vor Schmerzen. Reede war es nicht, und das bedeutete, daß der Besuch wie geplant verlief.
    Der örtliche Dealer hinter dem Tor hatte Reedes Produkt mit minderwertigen Drogen gestreckt, jedenfalls hatte er das gehört. Und wenn Reede in der richtigen Stimmung war, regelte er solche Angelegenheiten gern persönlich, so wie jetzt. Beim ersten Morgengrauen hatte er Kedalion aus dem Bett geholt und ihn einen faulen Hurensohn genannt.
    Verfluchter Kerl.
Kedalion holte tief Luft. Wenigstens waren sie für einen Tag aus dieser Zitadelle heraus. Humbaba mochte es nicht, wenn Reede die schmutzige Arbeit selbst erledigte, aber Reede kümmerte sich nicht darum, und nicht einmal Humbaba schien ihn stoppen zu können.
    Es kam ihm unglaublich vor, daß er jetzt schon drei Jahre lang für Reede Kullervo arbeitete, genauer gesagt, daß er seit drei Jahren unter Reedes Fuchtel stand. Er fühlte sich, als sei er auf immer und ewig Reedes Eigentum geworden.
    Er erinnerte sich noch lebhaft an den Tag, als er in Humbabas Kartell aufgenommen wurde. So etwas vergaß man nicht, genausowenig wie man eine Verwundung vergessen würde, die einen um ein Haar das Leben gekostet hätte.
    An diesem Tag hatte er endgültig eingesehen, daß Reedes Macht und Einfluß tatsächlich so groß waren, wie er immer behauptete. Und er, Kedalion Niburu, war zu einem unbedeutenden Niemand geworden, der eher in den Straßen von Razuma verhungern würde, ehe jemand ihm Arbeit gäbe –

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