Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt
keinen Einfluß auf den Lauf des Universums. Während dieser Zerreißprobe in World's End war alles, woran er als Tech und als Kharemoughi sein Leben lang geglaubt hatte, zerstört worden.
Als Angehöriger der Oberschicht seines Planeten war er in dem Dünkel aufgewachsen, alles beherrschen zu können. Dabei wäre ihm diese Arroganz beinahe zum Verhängnis geworden, weil er sich sogar für Vorgänge verantwortlich fühlte, die sich seiner Einwirkung entzogen. Zum Schluß wäre er am liebsten gestorben. Erst als er seinen Hochmut abgelegt und Demut gelernt hatte, fühlte er sich wirklich frei.
Er wußte um das prekäre Gleichgewicht zwischen Ordnung und Chaos im Universum, und ihm war klargeworden, daß nur ein freier Mensch eine Wahl treffen konnte. Er war nur er selbst, er verkörperte weder die Familienehre noch brauchte er die Erwartungen seiner Ahnen zu erfüllen.
Mittlerweile hatte er erkannt, daß er nur auf eine Sache Einfluß hatte, und das war seine Art zu leben. Daraus erwuchs sein Entschluß, für die Ordnung und gegen das Chaos zu arbeiten, einer gerechten Sache zu dienen, auch wenn dies bedeutete, daß er sich gegen die Hegemonie stellen mußte, falls deren Gesetze ungerecht waren. »Woher wußtet ihr das?« fragte er.
»Ihre Taten sprachen für sich.«
Gundhalinu seufzte, wie ein Mann, der endlich heimgefunden hat und sich entspannen kann. Erst jetzt wurde ihm bewußt, daß er in letzter Zeit in ständiger innerer Anspannung gelebt hatte. »Danke«, sagte er und merkte, wie sich seine Kehle zuschnürte. »Danke, daß ihr mich nicht alleingelassen habt.«
Der Oberste Richter hob lächelnd eine Hand. Gundhalinu tat es ihm nach, und in einer Geste, die Gruß und Gelöbnis zugleich war, drückten sie ihre Handflächen gegeneinander. In feierlichem Ernst wurde der Vorgang mit den beiden anderen Männern wiederholt.
Plötzlich mußte Gundhalinu ein Gähnen Unterdrücker. Jetzt, wo die Spannung von ihm abgefallen war, spürte er seine Müdigkeit. »Meine Herren, das war ein unvergeßliches Erlebnis, und ich danke Ihnen für alles. Aber es muß bereits gegen Morgen sein, und ich werde bei einem Frühstück erwartet, das die Wendroe-Bruderschaft zu meinen Ehren gibt.« Nicht ohne Ironie blickte er den Chefinspektor und den Generalgouverneur an. »Verzeihen Sie mir, aber ich bin müde.«
»Natürlich.« Der Oberste Richter nickte. »Aber bevor
Sie uns verlassen, muß ich Sie noch auf zweierlei hinweisen: Erstens, über dieses Erlebnis dürfen Sie mit niemandem sprechen. Jetzt wissen Sie über uns drei Bescheid. Demnächst lernen Sie weitere Mitglieder kennen, und man wird Sie mit den rituellen Disziplinen vertraut machen. Darüber hinaus erfahren Sie geheime Informationen, die nur den inneren Zirkeln zugänglich sind. Doch das Wichtigste müssen wir Ihnen sofort mitteilen, ehe Sie gehen, denn die Sicherheit der Hegemonie hängt davon ab.«
Gundhalinu vergaß seine Müdigkeit. »Was kann das sein?«
»Sie kennen die wesentlichen Informationen über das Stardrive-Plasma und den Feuersee. Das Wissen muß unverzüglich nach Kharemough weitergeleitet werden, damit man beginnen kann, eine Flotte auszurüsten. Kharemough muß sich darauf vorbereiten, die Ordnung aufrechtzuerhalten, denn wenn der Stardrive erst einmal frei zugänglich ist, verfügen bald sämtliche acht Welten über eine Technologie, die es ihnen ermöglicht, von einem Planeten zum anderen zu hüpfen, ohne daß der Zeitfaktor eine Rolle spielt. Sie haben sicher schon darüber nachgedacht, wie das die interplanetarischen Beziehungen verändern wird.«
»Dann wollt ihr also, daß Kharemough die Hegemonie kontrolliert?« fragte Gundhalinu. »Ich bin ein Kharemoughi, und ich liebe mein Volk, aber ich dachte, der Survey hat keine Favoriten.«
Estvarit nickte. »Das stimmt auch, doch wir machen Politik. Wir bemühen uns, Ergebnisse zu erzielen, die möglichst vielen Menschen nützen. Nur die etablierte Regierung der Hegemonie kann den Zugang zum Stardrive wirksam kontrollieren und verhindern, daß sich diese Technologie epidemieartig ausbreitet; denn das würde politisches Chaos und interstellare Kriege bedeuten. Denn ausbreiten wird sich das Wissen.« Er senkte den Blick. »Mit herkömmlichen Methoden würde es mehrere Jahre dauern, bis die Nachricht von der Entdeckung die anderen Welten erreicht, einschließlich Kharemough. Sie jedoch, ein Sibyl, könnten das ändern.«
»Wie denn?« fragte Gundhalinu, während er automatisch nach dem
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