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Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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darauf warteten, mit ihr über die Zukunft Tiamats zu entscheiden.
    Sie merkte, daß Gundhalinus Blick auf ihr ruhte, doch sie widerstand der Versuchung, ihn direkt anzuschauen. Erschöpft fragte sie sich, wie sie die nächsten Stunde, den nächsten Tag überstehen sollte; sie wußte nicht, woher sie die Kraft nehmen sollte, die sie für ihr Amt als Königin brauchte. In Gedanken stellte sie sich die Maske der Sommerkönigin vor, die Fate Ravenglass ihr an jenem schicksalhaften Tag vor einer halben Ewigkeit aufs Haupt gesetzt hatte. Sich an diese Erinnerung klammernd, mimte sie heitere Gelassenheit, während sie auf die Repräsentanten der alten und der neuen Zeit zuging.
     

TIAMAT
Karbunkel
    A ch, Tor, das ist ja super! Einfach
phantastisch!«
Ariele Dawntreaders schlanke, sehnige Gestalt hing förmlich über der transparenten Tischplatte; fasziniert spähte sie in die Tiefe. Jede ihrer Bewegungen war von Geklimper begleitet, denn ihr Bodystocking war mit winzigen, funkelnden Silberplättchen besetzt. »Und genauso sah dein Club vor dem Wechsel aus?« Die jungen Leute, die Ariele umringten, ergingen sich in entzückten Ausrufen. An diesem Abend eröffnete Tor Starhiker im Labyrinth den ersten Spielclub im Stil der Außenweltler.
    Tor hatte überall in der Stadt ausrangierte elektronische Spielautomaten gekauft, egal, wie abgenutzt oder defekt sie waren; dann ließ sie sie reparieren und mit neuen Mikroprozessoren ausrüsten, die es plötzlich wieder im Handel gab. Mit dem Einverständnis der Königin war sie so allen Unternehmern der Außenwelt zuvorgekommen, die vor den Palasttoren und in der Blauen Allee ein großes Geschrei anstimmten; sie bedrängten die einheimische wie die fremde Regierung, in den halbleeren Gebäuden des Labyrinths Vergnügungslokale und Geschäfte einrichten zu dürfen. Der Oberste Richter hatte den Zustrom von Außenweltlern und ihrem technologischen Spielzeug gebremst, und so eine Entwicklung verzögert, der die Tiamataner mit einer Mischung aus Neugier und Furcht entgegenfieberten. Bis jetzt hatte er Händlern und Technikern aus nützlichen Branchen eindeutig den Vorzug gegeben.
    Ariele kannte ausschließlich Staunen und Begeisterung. Sie verstand nicht, wieso jemand, einschließlich ihrer Mutter, die neuen, atemberaubenden Möglichkeiten ihrer sich verändernden Stadt mit Zurückhaltung oder Skepsis betrachten konnte. Ihr Leben lang hatte sie nach diesen Wundern gelechzt, doch erst, als sie sie mit eigenen Augen sah, wußte sie, was ihr bisher gefehlt hatte.
    »Schön, daß es dir gefällt, Herzchen.« Tor faßte über den Tisch und tätschelte ihr mit ihrer juwelengeschmückten Hand die Wange. »Amüsier dich gut, heute abend geht für dich und deine Freunde alles auf Kosten des Hauses. Aber das hier ist nur eine schwache Kopie meines früheren Clubs. Für mich besteht der wichtigste Unterschied darin, daß das Lokal dieses Mal wirklich
mir
gehört. Warte ab, bis erst die modernste Technologie ins Land kommt, dann gehen dir die Augen über. Das Labyrinth ... bei den Göttern, ich hätte nie gedacht, daß es noch einmal zum Leben erweckt würde!« Sie schüttelte den Kopf, daß das silberne Netz über ihrem angegrauten Haar funkelte.
    Staunend sah Ariele sie an; es kam ihr vor, als sähe sie an diesem Abend die richtige Tor Starhiker zum erstenmal, obwohl sie sie ihr Leben lang gekannt hatte. Jetzt befand sich Tor in ihrem Element, in das sie hineingehörte. Ariele wünschte sich, ihre Augen würden genauso strahlen, wenn sie irgendwann einmal, in ferner Zukunft, so alt wie Tor sein würde.
    »Bei allen Göttern, Ariele ...« Tor stutzte, als sie Getränke und Spielchips an die jungen Leute verteilte. »Was hast du mit deinem Haar gemacht?«
    »Ich trage es jetzt kurz, wie die Außenweltler.« Ariele schüttelte den Kopf, der sich unheimlich leicht anfühlte, wie wenn ihr mit dem taillenlangen Haar auch eine innere Last abgenommen worden wäre. Erst an diesem Nachmittag hatte sie einen Außenweltler-Frisiersalon aufgesucht; das restliche Haar war kaum einen Zoll lang und stand wie Katzenfell von ihrem Kopf ab. Elco Teel hatte ihr diese Frisur aufgeschwatzt, doch nachdem sie den Anfang gemacht hatte, traute sich keiner mehr zu kneifen. Die meisten aus ihrer Clique hatten frischgeschorene Köpfe, wobei ein Haarschnitt bizarrer war als der andere. »Gefällt es dir nicht?«
    Tor hob die Brauen, nickte und schmunzelte. »Ich find's toll. Aber deine Mutter wird toben.«
    Ariele grinste.

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