Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt
»Hoffentlich«, sagte sie, doch sie merkte, wie ihr das Lächeln verging. »Jetzt sehe ich wenigstens nicht mehr so aus wie sie.« Nochmals den Kopf schüttelnd stand sie vom Tisch auf und nahm ihr Getränk mit. Als sie daran nippte, stellte sie zu ihrer Freude und Überraschung fest, daß Tor es doch tatsächlich mit einem Schuß Alkohol gewürzt hatte. »Danke, Tor.«
Tor winkte gutmütig ab und entfernte sich von dem Tisch, auf dem plötzlich das Hologramm einer fremdartigen Stadt erblühte. Arieles Ausruf der Verwunderung ging in dem erstaunten Gemurmel ihrer Freunde unter. Sie stand zwischen Elco Teel und Tilby Atwater und beobachtete, wie eifrige Außenweltler sich mit ihren Ellbogen durch die Menge boxten; begierig scharten sie sich um das Hologramm, um sich auf ein neues Spiel zu stürzen, das ihnen längst bekannt sein mußte.
Ariele schaute zu und versuchte, die Spielregeln aufzuschnappen. Ab und zu murmelte sie eine Bemerkung, gab einen leisen Schrei von sich und zeigte aufgeregt mit dem Finger – wie alle anderen. Gleichzeitig bemühten sich die jungen Tiamataner, so zu tun, als ob sie das alles schon kennen würden. Dazu hämmerte eine importierte Musik einen lauten, eindringlichen Rhythmus.
Nach einer Weile gingen Ariele und ihre Clique weiter, schlenderten von einem Tisch zum anderen, an ihren Getränken nippend und verstohlen das bunt zusammengewürfelte Publikum musternd, das den Club füllte; Menschen aller Schläge und Größen, mit den unterschiedlichsten Haaren und Frisuren, Augenfarben und Hautschattierungen, die Ariele noch vor einem Jahr für unmöglich gehalten hätte. Sie genoß den Anblick der Vielfalt, den sichtbaren Beweis dafür, welche endlosen Möglichkeiten das Leben bot.
»Götter.« Hinter ihr sprach Tilbys Schwester Sular verlegen den Außenweltler-Fluch aus. »Wie kann man nur genügend Punkte sammeln, um einen Waffenstillstand zu bewirken? Diese Spiele sind unmöglich –selbst die Außenweltler können nicht gewinnen.« Sie deutete auf einen Spieler, der sich mit rotem Gesicht vom Tisch abwandte und davonstakste, während vor ihnen die Trümmer einer vernichteten Welt schimmerten.
»Der da kann es«, murmelte Ariele und stieß Tilby mit der Schulter an. Sie beobachtete einen Mann, der zwei Tische weiter saß und sich mit etwas beschäftigte, das ihr völlig schleierhaft blieb; doch nach den staunenden Ausrufen und dem Gelächter der Zuschauer zu urteilen, schien er ein brillanter Spieler zu sein. Fasziniert verfolgten die Umstehenden jede seiner Bewegungen. »Schau ihn dir an, Tilby; oh, bei den Titten der Herrin, den muß ich mir aus der Nähe ansehen, kommst du mit?« Er war hellhäutig genug, um als Tiamataner durchzugehen, aber wegen der bizarren Tätowierungen, die die gesamte Länge seiner Arme bedeckten, hielt sie ihn für einen Außenweltler. Sein Gesicht war von einer verwegenen Schönheit, und seine Hände tanzten förmlich in dem herniederregnenden Phantomgold. Neugierig versuchte sie, zwischen den sich bewegenden Leuten einen Blick auf seinen Körper zu erhaschen.
»Hmm«, machte Tilby und zerstrubbelte sich den Schopf. »Natürlich.«
»Aber ich habe ihn zuerst entdeckt«, herrschte Ariele sie an und hielt sie zurück, als sie losmarschieren wollte.
Tilby zog einen Schmollmund, und Elco Teel meinte: »Du bist pervers, Ariele – wie kannst du diesen Typ attraktiv finden? Sieh dir doch nur seine Haut an. Glaubst du, er wurde mit diesen Flecken geboren, oder ist es eine Krankheit ...?«
»Das sind Tätowierungen, wie du ganz genau weißt«, entgegnete sie von oben herab. »Wie bei den Sibyllen.« »Wohl kaum.« Er verzog das Gesicht.
Ariele hob den Mittelfinger und senkte ihn bedeutungsvoll vor seinem Gesicht nach unten.
»Ob er
überall
tätowiert ist?« fragte Tilby mit großen Augen.
»Das läßt sich feststellen.« Ariele ließ sie einfach stehen und zwängte sich durch die Menge. Doch als sie den Spieltisch erreichte, an dem der Außenweltler saß, zog er seine Hände aus der goldenen Halluzination heraus, die langsam in der Luft verblaßte. Ehe er sich davonstehlen konnte, drängte sie sich an ihn heran; energisch schob sie einen jungen Burschen mit nachtschwarzer Haut und ebensolchen Haaren; und einen Zwerg, der kaum bis zur Tischplatte reichte, beiseite. In den Gesichtern der beiden malte sich Überraschung, während der Spieler selbst sie aus seinen strahlendblauen Augen nur gelangweilt anschaute. Herausfordernd schmiegte sie sich an seine
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