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Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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unvermittelt sah sie wieder ein. Bild vor sich aus der Zeit, als Arienrhod noch regierte – Kirard Set Wayaways stand lauernd vor der Grube, während der Sturm in der Halle der Winde gierig stöhnte; mit einer beinernen Pfeife in der Hand, die den Wind bezähmen sollte, wartete er auf die Polizei-Inspektorin PalaThion und ihren Sergeanten Gundhalinu. Selbst nach all diesen Jahren erinnerte sie sich noch an das hämische Lächeln auf seinem jugendlichen, vollkommenen Gesicht, als er ihre Ängstlichkeit bemerkte. Heimlich hatte er sie ausgelacht, und während er sie über den schmalen Steg zur Audienz mit der Königin führte, ließ er absichtlich den Wind an ihren Fersen zerren. Plötzlich wurde ihr klar, daß sie sich damals gewünscht hatte, ihre Positionen einmal zu vertauschen; und nach so langer Zeit war dieser Wunsch immer noch in ihr lebendig.
    Die Tür ging auf; doch nicht Kirard Set begrüßte sie, sondern seine Frau, Tirady Graymount. Jerusha war tief enttäuscht.
    »Chefinspektorin PalaThion ...«, murmelte Tirady Graymount und lehnte sich unsicher gegen den Türpfosten. Ihre Pupillen waren unnatürlich erweitert; Jerusha fragte sich, welche Droge sie wohl genommen hatte. Tirady Graymount entdeckte den Konstabler, der hinter Jerusha stand, und ihr mürrisches Gesicht nahm einen überraschten Ausdruck an. »Was wollen Sie?«
    »Ich bin gekommen, um Ihren Mann zu verhaften, Tirady Graymount«, antwortete Jerusha.
    Die Frau zwinkerte mit den Augen, wie wenn sie Mühe hätte, die Information zu begreifen. »Die Hegemonie läßt ihn verhaften?«
    »Nein, nicht die Hegemonie.« Jerusha blickte an der blauen Uniform hinab, die sie immer noch trug, und zuckte die Achseln. Ich stehe im Dienst der Königin.«
    »Ach«, staunte Tirady Graymount, wie wenn dies alles erklärte. »Nun ja, mein Mann ist nicht zu Hause. Es tut mir wirklich leid, daß Sie ihn nicht antreffen ...« Sie lächelte eigentümlich.
    »Und Sie wissen natürlich nicht, wo ich ihn finden kann?« stellte Jerusha die rhetorische Frage.
    Aber Tirady Graymount stieß sich vom Türrahmen ab und glättete ihr blondes, graumeliertes Haar. »Doch, ich weiß es. Er ist in Persiponës Club – er hat dort geschäftlich zu tun. Ihr Lächeln wirkte nun grausam. »Sie wissen ja, wo das ist. Wenn Sie sich beeilen, erwischen Sie ihn noch.«
    »Vielen Dank für Ihre Hilfe.« Jerusha gab sich Mühe, sich ihren Zynismus und ihre Überraschung nicht anmerken zu lassen.
    »Es war mir ein Vergnügen«, murmelte Tirady Graymount, als Jerusha und der Konstabler sich anschickten zu gehen. »Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.« Die Tür fiel hinter ihr ins Schloß.
    Jerusha begab sich unverzüglich zu Persiponës Spielhölle, ohne sich Gedanken über die Ehe der Wayaways zu machen. Sie konnte sich mehr als einen Grund vorstellen, weshalb Kirard Set jemanden in den Drogenkonsum oder zu einem gemeinen Racheakt trieb.
    Als sie den verdunkelten Eingang zum Club betraten, blieben sie blinzelnd auf der Schwelle stehen, wie jeder Gast, der hereinkam. Jerusha hatte das Gefühl, als bliese ihr wieder einmal ein Geist aus der Vergangenheit seinen fieberheißen Atem ins Gesicht. Persiponës Spielhölle sah genauso aus wie damals, als Arienrhod noch regierte. Es war, als existiere dieser Ort außerhalb der Zeit, als könne er nach Belieben verschwinden und wieder auftauchen. Damals wie jetzt hatte der Club als Fassade für die Quelle gedient, den Drogenboss, an den Arienrhod sich gewandt hatte, als sie plante, das gesamte Volk der Sommer zu ermorden. Die Blauen hatten den Plan vereitelt – Jerusha hatte sogar der Quelle einen Strich durch die Rechnung gemacht. Trotzdem war es ihm irgendwie gelungen, sich dem Zugriff der hegemonischen Polizei zu entziehen und zu fliehen.
    Jetzt war er auf Tiamat wieder groß im Geschäft, und er hielt Monds Kind als Geisel; was er als Gegenleistung für die Freigabe verlangte, ließ sich nicht einmal in Worte fassen. Wenn sie ihm damals für immer das Handwerk gelegt hätte, wäre die jetzige Situation nicht eingetreten. Doch sie hatte versagt, und dieses Mal besaß sie nicht einmal mehr die Machtbefugnis, um gegen diesen
    Verbrecher einzuschreiten. Aber da war immer noch Kirard Set.
    Eine Frau in einem schwarzen Kleid, das hinten einen tiefen Schlitz hatte, kam auf sie zu; ihre schwarze Perücke wurde durch ein silbernes Netz gehalten, und ihr Gesicht war so kunstvoll bemalt, daß man nicht erkennen konnte, wer sie in Wirklichkeit war. Sie

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