Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt
wurde Persiponë genannt und sah genauso aus wie die Persiponës vor zwanzig Jahren – nur war es damals Tor Starhiker gewesen, die als Persiponë posierte und den Club für den wahren Besitzer managte. Im Gegensatz zu Arienrhod, bot die Sommerkönigin Ganoven keinen Schutz vor den Blauen, und hinter all dieser Schminke
steckte nicht Tor Starhiker, sondern eine anonyme Angestellte, die die Gastgeberin mimte.
»Willkommen, Chefinspektorin. Was darf ich Ihnen bringen?« Persiponë lächelte, und ihr Gesicht leuchtete in einem unheimlichen phosphoreszierenden Glanz.
»Bringen Sie mir Kirard Set Wayaways«, erwiderte Jerusha ohne Umschweife.
Persiponë nickte, preßte die Hände gegeneinander, wie zum Gebet, und verschwand in den Tiefen des Clubs. Jerusha wartete, regungslos und ungerührt; Clearwater neben ihr stieß einen erstaunten Pfiff aus, während er sich im Club umschaute. »Ich habe meine
Zeit in den verkehrten Lokalen verschwendet«, meinte er.
Kurz darauf steuerte jemand resolut auf sie zu; es war weder Persiponë noch Wayaways, sondern
TerFauw.
Jerusha kannte ihn. Er war einer der Leutnants der Quelle und führte die Aufsicht im Club. TerFauw stammte von Newhaven, ihrer Heimatwelt, doch seinem Aussehen nach war er auch schon lange nicht mehr dort gewesen.
»Was wollen Sie hier?« fragte er ruppig, ohne die geringste Spur von Höflichkeit vorzutäuschen.
»Ich will Kirard Set Wayaways«, sagte sie und blickte an ihm empor. Sie war so großgewachsen, daß sie nicht oft zu Männern hinaufschauen mußte, doch dieser Mann war ein Hüne. Sie kam sich schutzlos und verletzlich vor, und sie dachte daran, daß wohl die meisten Frauen so empfinden mußten, wenn sie einem Mann gegenüberstanden.
»Wie kommen Sie darauf, ich wüßte, wo er ist? Er kann sich überall auf der Straße aufhalten«, sagte TerFauw in gebrochenem Tiamatanisch. Er deutete auf die Menge.
»Seine Frau sagte uns, er sei hier. Geschäftlich.« Sie zeigte in die Richtung, aus der TerFauw gekommen war, wo die geheimen Zimmer lagen, in denen zwielichtige Aktivitäten stattfanden.
»Vielleicht ist er schon wieder weg.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Dann hätten Sie mir das gleich gesagt. Bringen Sie ihn her!«
TerFauw stieß ein Grunzen aus. »Was will die Hegemonie von ihm?«
»Gar nichts. Die Königin verlangt nach ihm. Sein eigenes Volk.«
Seine schiefen Lippen verzogen sich zu einem unangenehmen Lächeln. »Und was haben sie mit ihm vor?« »Sie dürfen raten«, konterte Jerusha.
Er nickte nachdenklich. »Das genügt mir.« Die Hand hebend, spähte er über die Schulter. »Bringt ihn raus!« sagte er in die Luft hinein.
Plötzlich tauchten drei Männer aus einer dunklen Öffnung in der Wand auf; der Mann in der Mitte war Wayaways, und er schien nicht sehr glücklich zu sein. Die beiden Typen, die ihn flankierten, waren bewaffnet; die Waffen konnte sie zwar nicht sehen, aber sie merkte es an der Art, wie sie sich bewegten.
»Die Sommerkönigin will dich sprechen«, verkündete TerFauw gleichgültig, als Wayaways und seine Eskorte zu ihnen stießen.
»Die Königin?« Wayaways brach ab, und Jerusha sah genau den Ausdruck auf seinem Gesicht, den sie zu sehen wünschte.
»Gehen wir!« befahl sie und lächelte zynisch, so wie er vor vielen Jahren, als er sich an ihrer und Gundhalinus Furcht geweidet hatte.
»Nein!« Er wirbelte herum und packte TerFauw bei seinem Wams. »Du kannst es doch nicht zulassen, daß sie mich wegschleppen! Ich bin einer von euch, bei allen Göttern! Ich bin ein Fremder, fern von meiner Heimatwelt, ein Bruder; die Quelle versprach mir, die Bruderschaft ...«
So selbstverständlich, wie man jemandem die Hand gab, rammte TerFauw ihm die geballte Faust in die Magengrube, und Kirard Set krümmte sich vor Schmerzen. TerFauw gab den beiden Kerlen einen Wink, und sie zerrten Wayaways wieder hoch. »Geh du nur zu deiner Königin, Mutteranbeter«, zischte er dem heimgesuchten Wayaways ins Gesicht. »Und bitte sie lieber darum, daß sie dich nie wieder hierherkommen läßt.« Unvermittelt schnippte er Wayaways seinen Finger ins Auge; Kirard Set kreischte und preßte sich die Hand dagegen.
Jerusha holte tief Luft. Sie zwang sich dazu, die Hand von ihrer Waffe zu nehmen und locker herunterbaumeln zu lassen, als TerFauw ihnen den Rücken zukehrte und davonstapfte; Wayaways' Bewacher folgten ihm wortlos.
Jerusha wartete, bis Kirard Set aufhörte zu schreien und die Hand von dem tränenden Auge nahm. »Kommen Sie
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