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Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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Erkenntnisse konnten jetzt die Rettung für sie alle sein, aber man konnte es ihm nicht mehr danken.
    Sie blieb vor dem Tischchen stehen, dessen abgesperrte Schublade sie einmal aufgebrochen hatte; der Inhalt lag noch verstreut auf der Tischplatte. An jenem Tag hatte sie den einzigen anderen Mann verloren, den sie je geliebt hatte. Das Abzeichen der Bruderschaft lag noch auf dem Fußboden, die Survey-Loge mit ihren nicht endenden verräterischen Machenschaften symbolisierend; doch im Herzen des Medaillons glühte ein Juwel so strahlend wie die Sonne, das Sinnbild der Erleuchtung.
    Sie trat mit dem Fuß danach und wandte den Blick ab. Dann setzte sie sich an das Tischchen und nahm einen Gegenstand nach dem anderen in die Hand ... den hölzernen Kreisel, mit dem Funke als Junge gespielt hatte ... die silberweiße Haarlocke in der braunen Phiole ... die Stickarbeit, die sie ihm als Zeichen ihrer Liebe schenkte, als sie beschlossen, ihr Leben gemeinsam zu verbringen ...
    Wieso hat uns keiner gewarnt, wie lang einem die Zeit vorkommen kann ... und daß auch die Liebe ein jähes Ende nimmt?
    Sie verwahrte den kleinen bestickten Beutel unter ihrer Bluse an ihrem Herzen, wo Funke ihn in seiner Jugend zu tragen pflegte. Mit dem Ärmel wischte sie sich die Tränen vom Gesicht.
    Trockenen Auges stand sie auf und ging aus dem Zimmer; das Sibyllennetz wartete, und ihr Leben gehörte nicht ihr allein.
     

TIAMAT
Karbunkel
    M ond folgte ihrem Sohn und Reede Kullervo hinunter zur Transportkapsel, die am Rand der Grube auf sie wartete. Im letzten Moment blickte sie Jerusha an, die am Schacht stand und über sie wachte, wie immer. Mond erkannte, daß Jerusha von den Erinnerungen verfolgt wurde, und auch sie suchten ständig die alten Bilder heim, wenn sie sich der Grube näherte. Sie hatte Jerusha lediglich gesagt, Reede glaube, das stumme Herz der Stadt wieder zum Schlagen bringen zu können und ihnen einen Verhandlungsvorteil in ihrem Nervenkrieg mit den Außenweltlern zu verschaffen. Mehr konnte sie ihr nicht verraten, aber Jerusha schien das zu genügen.
    »Mögen die Götter – die Herrin – euch begleiten«, murmelte Jerusha. Sie schaute in Tammis' blasses Gesicht; Erinnerungen verfinsterten seinen Blick. Als sie Reede ansah, schlug ihre Besorgnis plötzlich in Zweifel um.
    »Wahrscheinlich bleiben wir eine lange Zeit fort«, sagte Mond. »Es kann Stunden dauern. Und von drunten können wir uns mit dir nicht in Verbindung setzen.«
    »Ich warte hier«, entgegnete Jerusha. »Egal, wie lange es dauert.« Sie drückte fest Monds Arm, wie um ihr etwas von ihrer eigenen Energie, ihrem Kampfgeist, mitzugeben, ehe sie die Reise in die Tiefe antrat.
    Mond sah die Lichter der Instrumente, die wie Edelsteine auf den dunklen Armaturen verteilt waren. Immer mehr erwachten blinkend zum Leben, wie Reede es angekündigt hatte. Die Luke schloß sich über ihren Köpfen. Hinter dem Aussichtsfenster blieben die Wände des Schachts tot und finster, keine Spur von Aktivität war zu erkennen. Aber Reede stand neben Tammis an der Sichtscheibe und starrte nach unten. Beide waren still und aufs höchste gespannt.
    Mond drängte sich zwischen sie und hielt sich am Handlauf unter dem Instrumentenpaneel fest, während sie sich in einer Spirale abwärts bewegten. Hinausspähend erhaschte sie einen Schimmer des grünen Lichts, der immer kräftiger wurde, indem sie seine Existenz akzeptierte.
    Eine diffuse Freude erfüllte sie, als sie sich an jenen Ort auf den Inseln ihrer Jugend erinnerte, wo sie schon einmal unwiderstehlich von einem solchen Licht angezogen worden war, während sie eine Musik hörte, die von keinem Instrument stammte; damals war sie gerufen worden ...
    Sie sah Tammis an. Er trug einen Taucheranzug mit Ausrüstung, den Helm hielt er im Arm. Auf seinem Gesicht erkannte sie die gleiche Verzückung, die hoffnungsfrohe Erwartung, die Entrücktheit ... Gleichzeitig sah sie den Kummer, der seine Begeisterung überschattete, denn damit er zum Sibyl geweiht werden konnte, mußte Miroe mit seinem Leben bezahlen.
    Auch ihr Gedenken an ihre eigene Initiation wurde getrübt: sie dachte an Funke, und wie er versucht hatte, ihr durch die pechschwarze Höhle zu folgen, in der sich die Weihestätte befand; doch das Licht, das sie führte, hatte er nicht sehen können. Sie erinnerte sich an sein blindes, verzweifeltes Gesicht, als sie begriff, daß sie auserwählt worden war, und er nicht. Er hatte sie angefleht, nicht weiterzugehen, sich an sie

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