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Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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der Wand aus Maschinerie.
    Dann ließ Tammis sich los und plumpste ins Wasser, um gleich wieder aufzutauchen. Vanamoinen – Reede – klebte weiterhin wie eine Fliege am senkrechten Absturz, bis er schließlich auch wie ein Stein in die phosphoreszierende See fiel. Er kam nicht wieder hoch, und gleich darauf verschwand Tammis' Kopf in der Flut.
    Eine Weile blieb sie stehen und starrte aufs Wasser, dessen unruhige Oberfläche von keiner menschlichen Gestalt mehr gestört wurde. Sich an den Handlauf klammernd, wollte sie die Augen schließen; sie merkte, daß sie ihr bereits zugefallen waren, und daß sie selbst am Rand des Abgrunds stand, in den sie allein hinabtauchen mußte; für sie wurde es Zeit, sich fallenzulassen ...
»Eingabe«,
flüsterte sie; ihr Körper stürzte durch die Dunkelheit des Transfers, driftete hinein in ein Meer, das noch viel absonderlicher war als der unter ihr wogende Ozean ... fremdartiger als alles, was sie kannte.
    Die Dunkelheit verwandelte sich in Licht und Musik, in eine sensorische Sinfonie, gegen die andere Sinnes-reize verblaßten, wie eine Kerzenflamme vor der geballten Energie einer Sonne. Die Wucht der Eindrücke spaltete ihr Bewußtsein in ein Spektrum; plötzlich bestand sie aus sämtlichen Farbe des Lichts, ihr Geist war ein Netz aus Myriaden von Fäden, das mit Perlen gefüllt auf dem Kamm einer endlosen Woge daherritt ... Sie selbst war die Weile, sie hob sich und fiel in einer ewigen Dünung, in Farbnuancen schillernd, für die es keine Namen gab; Eisschollen; Gischt aus flüssigen Kristallen, seidenweich wie Haut; farbige Edelsteine, glänzend poliert, vollkommen, sprühen in Tropfen herab wie Tränen ...
    Jetzt wußte sie, daß sie blind gewesen war, als sie das erste Mal diese Ebene erreichte; damals sah sie nur die Finsternis. Als BZ sie dann tiefer in das verborgene Herz hineinrief, sie mittels seiner im Survey erworbenen Fähigkeiten auf eine höhere Bewußtseinsstufe holte, nahm sie von den endlos vielen Facetten auch nur die goldenen Reflexe wahr. Doch nun waren sämtliche Spiegel zerborsten, alle physischen und geistigen Schranken von Raum und Zeit waren gefallen, und sie befand sich inmitten des Unmöglichen. Sie hatte gelernt zu sehen, und im Zentrum des Seins zu existieren ...
    ... sie weilte an einem Platz außerhalb der Raumzeit, daneben und gleichzeitig darin, von dem aus man alle Zeiten und Orte erreichen konnte; hier war die Zeit kein Fluß, sondern ein Meer. Und SIE war der Geist des Sibyllennetzes, intensiv spürte sie den Nexus, den Brennpunkt, das in der Zeit verankerte Kraftwerk, das sich unter einem Meer und Felsen versteckt auf einer winzigen, abseits gelegenen Welt befand; die künstliche Intelligenz, die IHRE Identität und das gesamte Wissen der Menschheit in ihren technoviralen Zellen speicherte; die SIE mit den kurzlebigen, unglücklichen Kreaturen verband, die IHRE Erzeuger und Nachkommen zugleich waren ... SIE war das Gehirn, das nun versagte, weil IHRE Kinder sie in blindem Wahn auffraßen und das Band zerstörten, das SIE mit dem Universum verknüpfte.
    IHR Nervensystem bestand aus leuchtenden, breitausgefächerten Netzen aus Partikelwellen, wobei Sensoren und Empfänger intelligente Lebewesen waren; es reichte mit seinen Ausläufern bis in die entferntesten Winkel der von Menschen bewohnten Galaxis; es lauschte, es reagierte, es beantwortete Fragen und half den Bedürftigen; es verweigerte sich nie, und auf der Suche nach Wegen, wie man Hader vermied und das gegenseitige Verstehen förderte, wurde es von den Sibyllen freudig unterstützt.
    Aber die Verwüstungen, die die Menschen an IHR anrichteten, schwächten IHRE Fähigkeit zu agieren; ein Gedächtnisstrang nach dem anderen wurde gekappt. Indem man IHRE Funktionsweise störte, IHR Zentrum verstümmelte, wurde IHRE seit jeher komplizierte Beziehung zu den Sterblichen zunehmend gespannt und unberechenbar. Wenn sich das Muster nicht bald änderte, würden die Abweichungen so extrem, daß SIE den Grund für IHRE Existenz vergessen und die Funktion in der menschlichen Raumzeit-Ebene einstellen würde.
    Das dadurch entstehende Chaos würde schrecklich und weltenübergreifend sein. Der Nexus aus Smartmatter, der IHR zentrales Gedächtnis enthielt, würde sich zersetzen und dabei die archaische Stadt Karbunkel zerstören. Die Umgebung würde zu einer schwärenden, tödlichen Wunde aus umgeformter Materie werden, die Realität verzerren und den Lebensraum Tiamats zu einer Ödnis verwüsten, in

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