Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
Vom Netzwerk:
oben!« Er richtete den Strahl seines Helms empor und beleuchtete die Szene, die sich vor ihnen auftat: schimmernde Metallegierungen; der satte Glanz von Keramik – die spitzen Zinnen einer fremdartigen Stadt unter dem Meer, von einer unvorstellbaren Höhe und Ausdehnung, deren Zweck man nicht ergründen konnte. »Dort sind die Turbinen!« Er fluchte verdutzt, als etwas durch den Lichtstrahl huschte, kehrtmachte und abermals dicht vor seinem Gesicht entlangflitzte.
    Ein Mer . . .
Zwei oder drei, die sich bereits auf dem Rückweg befanden. Er fragte sich, wie viele schon fort sein mochten, im guten Glauben, sie hätten ihren Part in dem unvollständigen Ritual erfüllt. »Wir müssen uns beeilen«, sagte er, »sonst sind sie weg, bevor wir sie erreichen. Beim nächsten Gezeitenwechsel fangen die Turbinen wieder an zu rotieren. Die Mers, die es dann nicht nach draußen geschafft haben, sind hier gefangen; wenn sie versuchen, durch die Turbinen zu schwimmen, werden sie zerfetzt.«
    »Und was passiert mit einem Menschen?« fragte
    Tammis.
    Reede sah sein blasses, vom Lampenstrahl beleuchtetes Gesicht hinter dem Helmfenster. »Dem ergeht es nicht anders. Er bemühte sich, schneller zu schwimmen, und er spürte, wie das Wasser des Todes ihm Kräfte für diese letzte Anstrengung verlieh. Schweiß lief ihm in die Augen, er blinzelte, um wieder klar zu sehen, und befahl dem Lebenserhaltungssystem seines Anzugs, die Innentemperatur zu senken; er mußte seinen fiebernden Körper kühlen und den bohrenden Schmerz betäuben, der von den sich zersetzenden Zellen seines Körpergewebes herrührte.
    Sie näherten sich der Lücke zwischen den Turbinenschaufeln, beschleunigt von einer rasch dahinfließenden Strömung, und zwängten sich durch d schmalen Spalt. Im Vorbeitreiben schaute Reede hoch; der Anblick der nackten Rotorblätter lähmte sein Gehirn; aufgereiht wie Henkersklingen warteten sie darauf, die Verdammten zu richten – in der klaustrophobischen Finsternis eines Orts, der der Hölle glich ...
Blut ... Schmerzen ... Tod durchs Wasser ...
    Eine Welle von Panik ließ seine Selbstbeherrschung zusammenbrechen, als ihm plötzlich klar wurde, welches Schicksal ihn erwartete, wenn er den Zweck seiner Existenz erfüllt hätte ... Tod durchs Wasser ... ertrinken ... Angst schlug über ihm zusammen, und er ertrank in dem grünen Licht, das ihn jählings durchflutete; der ANDERE reagierte auf den Lockruf mit einer Begeisterung, gegen die seine Furcht, seine Panik und auch sein Bewußtsein nichts ausrichten konnten.
    Ich bin Vanamoinen;
Reede Kullervos verzweifelter Schrei verhallte, als er in die Tiefen jenes fremden Verstandes hinabtauchte. Endlich war er vollkommen frei und hatte die absolute Kontrolle über das Gefängnis aus Fleisch und Blut, in dem er sich wiedergefunden hatte. Die gnadenlose Zeit, in der er Kullervos gequälter Gefangener gewesen war, kam ihm vor wie ein endloser Alptraum ... Gleichzeitig wußte er, daß sein Kampf ums Überleben Kullervo zu Grausamkeiten getrieben hatte, die dessen wahrem Wesen fremd waren.
    Vanamoinen bedauerte den Mann, den das Schicksal dazu ausersehen hatte, einem höheren Ziel geopfert zu werden. Doch Kullervos Ängste – und auch seine eigene Furcht – durften seine Handlungsfähigkeit nicht lähmen; andernfalls hätten sie beide umsonst gelebt ... – und den Tod gefunden.
    Sie hatten die Turbinen passiert, und vor ihm taten sich die untermeerischen Höhlen auf; eine Strahlung beleuchtete sie taghell. Rings um ihn her, in einem Wechselspiel aus Licht und Schatten, schwammen Mers. Voller Freude und Leidenschaft tollten sie durch die Kavernen. Er schaltete das Außenmikrofon seines Helms ein, und sogleich vernahm er die faszinierenden Lieder, die die Vision abrundeten. »Beim Universum ...«, flüsterte er, während ihm die absolute Erfüllung zuteil wurde, die ihm hundert Lebensspannen lang versagt geblieben war.
    Er hörte unzählige Variationen eines komplizierten, ständig wiederkehrenden Themas; jede Kolonie besaß ein separates Liedfragment, das anschwoll und abebbte, geseufzt und gezwitschert wurde, in einem Chor, der trotz seiner herzergreifenden Schönheit so chaotisch wirkte wie die blindlings vollführten Schwimmfiguren.
    Doch die Bewegungen waren alles andere als zufällig; indem die Mers durch das Wasser flitzten, wobei sie ein hauchfeines Netz, dessen Muster nur derjenige sah, der dieses Wunder an geheimnisvoller Logik geschaffen hatte; so wie das Licht, das der

Weitere Kostenlose Bücher