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Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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es zu beschützen ... und vom Standpunkt des Sibyllen-Systems aus gesehen, hatten sie ihre Pflicht erfüllt.
    Auf dieser Ebene hatten die menschlichen Vorstellungen von Gut und Böse keine Bedeutung mehr. Die Bruderschaft und die Goldene Mitte betrachteten sich als Gegensätze, die Chaos und Ordnung verkörperten; dabei waren beide Faktionen in Wirklichkeit viel eingeschränkter, komplexer und realitätsferner, als sie wahrhaben wollten. Die unterschiedlichen Wege, die sie eingeschlagen hatten, führten letzten Endes zum selben Ziel. Und für die menschlichen Werkzeuge, die das Sibyllennetz auserwählt hatte, war jeder Pfad lang und beschwerlich, ganz gleich, wer sie auf die Reise schickte ...
    Plötzlich wurde ihm vor Schmerzen übel. Nicht nur Kummer und Erinnerungen waren es, die seine Hände zucken und zittern ließen; er war wie in Schweiß gebadet.
    »Tammis!« brüllte er und wandte sich zu den Mers um.
    Nach einer Weile, die ihm wie eine Ewigkeit vorkam, entdeckte er Tammis, der sich aus der wogenden Wolke von Mers löste und mit dem Recorder in der Hand auf ihn zuschwamm. Der heitere, friedvolle Ausdruck des Jungen erlosch, als er das Gesicht seines Gefährten sah. Erst jetzt merkte Vanamoinen, daß ein Merling Tammis folgte; er erkannte Silky, Arieles Freundin, und er freute sich, daß die Blauen sie nicht abgeschlachtet hatten.
    »Gib ihr den Recorder«, sagte Vanamoinen zu Tammis. »Schick sie damit zu den anderen zurück.«
    Tammis gehorchte; er löste den Gerätegürtel mit dem Recorder von seinem Anzug und legte ihn Silky um. Vanamoinen gab ihr den scharfen Befehl, umzukehren; in einer Spirale kreisend, tauchte sie wieder ab.,
    »Es wird Zeit, daß du in den Transfer gehst«, sagte er zu Tammis. »Ich gebe dem KI-System das Feedback, das es braucht, um sich neu zu justieren. Mit etwas Glück können die Mers es auf diesem Stand halten. Aber der Vorgang wird eine Weile dauern; warst du schon mal in einem längeren Transfer?«
    Tammis schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich bin bereit.« Sein Blick war zuversichtlich, und voll von jugendlichem Optimismus.
    Wieder entsann sich Vanamoinen an Ilmarinen; er dachte an Gundhalinus Liebe zu Mond Dawntreader und er weilte in Gedanken bei ihrer Tochter, die er einst geliebt hatte; er dachte an ihren Sohn, der nun bei ihm war: ein kräftiger, hübscher Junge, dessen ganzes Leben noch vor ihm lag, der eine Frau hatte, die ein Kind erwartete. Für ihn lohnte es sich zu leben ... Er erinnerte sich, daß Ilmarinen Mede geliebt hatte, bevor sie sich kennenlernten. Ilmarinen und Mede zeugten Kinder, die ihnen ein Gefühl von Kontinuität gaben. Darum hatte er Ilmarinen immer beneidet, und er bedauerte ei., daß er selbst kinderlos geblieben war.
    Die Mers sind deine Kinder,
hatte Ilmarinen ihn getröstet.
Jeder Sibyl und jede Sibylle, die zur Welt kommen, wer den dein Sohn oder deine Tochter sein.
Doch das war nicht dasselbe. Abermals fiel ihm Ariele ein, und eine Woge ohnmächtiger Sehnsucht brandete in Reede Kullervo bibberndem Körper hoch; das Leben, das gegen den Tod ankämpfte.
    Vanamoinen blinzelte sich den Schweiß aus den A gen und schluckte die Sorgen hinunter, die ihm die Kehle zuschnürten. »Während des Transfers wirst du etwas völlig Neues sehen. Sträube dich nicht ... Ich entsinne mich, daß es wunderschön dort ist. Und nun kommt meine Frage, Sibyl ...«
    »Eingabe«,
murmelte Tammis, mit gespannter Miene und ruhigem Blick. Vanamoinen sah, wie die Augen des Jungen glasig wurden, während er in den Transfer hineinglitt; in seiner eigenen Sprache äußerte er die Worte, die ihm den Zugang zu der anderen Realität der künstlichen Intelligenz verschafften, wobei Mond Dawntreader als Katalysator diente.
    Tammis begann zuckend durchs Wasser zu driften, als sich zwei fremde Bewußtseinsströme in seinem hilflosen Körper austauschten. Mit einer Hand packte Vanamoinen ihn bei seinem Anzug, zog ihn zu einem Spalt in der Wand und klemmte ihn dort fest. Dann drückte er seine vor Kälte tauben, beinahe gefühllosen Hände wieder gegen die Kontakte, und plötzlich merkte er, daß Tammis ihn mit Augen anstarrte, die gar nicht ihm gehörten.
    »Mond Dawntreader?« fragte Vanamoinen leise auf Tiamatanisch.
    »Ja«, antwortete sie mit der Stimme ihres Sohnes.
    In seiner eigenen Sprache stellte er ihr Fragen und eine andere Präsenz gab ihm durch Mond die Antworten.
    Als er sicher war, daß beide auf ihn reagierten, speiste er die Korrekturanweisungen durch die

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