Tiamat-Zyklus 3 - Die Sommerkönigin 2 - Die Abkehr der Welt
ist vorbei«, flüsterte Vanamoinen heiser. »Die Gezeiten wechseln ...«
»Dann müssen wir hier raus!«
Vanamoinen nickte und biß auf die Zähne, als er einen Brechreiz spürte. Als Antwort gab er Tammis einen Schubs, der ihn in die Richtung der Öffnung drehte, durch die sie in die Kaverne hereingeschwommen waren. Tammis schwamm los, begleitet von Silky, die ihn mit anmutigen Bewegungen umkreiste und zur Eile mahnte. Doch zögernd blickte sich Tammis um, als er merkte, daß Vanamoinen ihm nicht folgte, sondern sich einfach nach unten fallen ließ. »Reede?« rief Tammis. »Bei den Titten der Herrin, komm doch! Sonst werden wir hier eingeschlossen!«
Vanamoinen spürte Reede Kullervos Angst, die in seinem widerstrebenden Körper raste wie ein tollwütiges Tier; er wollte hinaus, obwohl er wußte, daß er zum Tode verdammt war, seinem vorherbestimmten Schicksal nicht entrinnen konnte.
»Reede!« brüllte Tammis noch einmal, und seine Stimme dröhnte in Vanamoinens Helm.
Reede begann mit den Beinen zu strampeln und seinen schmerzenden Körper anzutreiben. Vanamoinen gab Kullervos wahnwitzigen Anstrengungen nach, ihm wenigstens die Würde der freien Entscheidung lassend, auch wenn es sinnlos war ... Er wußte, daß Tammis die Höhle ohne ihn nicht verlassen würde.
Reede schwamm drauflos, gegen ein Gefühl der Orientierungslosigkeit ankämpfend, und durch die flüssige Atmosphäre folgte er Tammis hinterher. Die Kaverne schien sich ins Unendliche auszudehnen. Nur noch eine Handvoll Mers schwamm zügig hinaus, weit vor ihnen und kaum noch sichtbar. Die Strömung hatte die Richtung geändert, und das Wasser wurde durch die Ebbe ins Meer zurückgesogen; langsam ließ er sich auf den Ausgang der Höhle zutreiben, durch die unheimliche Finsternis, in der der ANDERE immer noch ein Licht zu erkennen vermochte. Er schwamm, obwohl er bei jeder Bewegung glaubte, die Muskeln würden von seinen Knochen gerissen; jeder Atemzug verursachte ihm heftige Stiche in der Brust.
Silky hörte auf, Tammis zu umkreisen, kam zu ihm und drängte ihn ungeduldig vorwärts, als die Lücke zwischen ihnen größer wurde. Vor Schmerzen fluchte er; Silkys derbe Nasenstüber trieben ihn voran, weil er versuchte, einer Berührung mit ihr zu entgehen.
Vor ihnen verschwanden gerade die letzten Merlinge durch die schmale Passage, wo die Turbinen lauerten; er sah, wie Tammis dort anlangte und nahm das dunkle Blitzen von Metall wahr.
»Beeil dich!« schrie Tammis mit schriller Stimme. »Sie fangen an, sich zu drehen. Mach schon, Reede!«
»Schwimm weiter!« brüllte Reede mit letzter Kraft. »Schwimm endlich durch den Tunnel, verdammt noch mal!« Tammis glitt in den engen Kanal. Mit der Faust hieb Reede Silky fest auf die Nase, um sie anzutreiben. Er sah, wie sie Tammis folgte. Das Wasser um ihn herum begann unnatürlich zu brodeln; er spürte das Wummern schwerer Maschinen, das durch die Höhlen vibrierte, als die Turbinen ihre Arbeit wieder aufnahmen, Die Propellerblätter fingen langsam an, sich zu drehen, um so für die nächsten zweihundertundfünfzig Jahre den Zugang zum Computer zu versperren.
Bei allen Göttern ...
Er war sich nicht sicher, zu wem er betete, oder für wen, während er beobachtete, wie der Lichtspeer von Tammis' Helm den schwarzen Tunnel durchstieß. Mit dem Mut der Verzweiflung trat er selbst seine Reise in die Finsternis an, wo sich die Kiefer des Großen Render langsam schlossen. Blindlings schwamm er drauflos, kniff die Augen zusammen, um nicht sehen zu müssen, was vor ihm lag, und plötzlich schoß ihm das Blut aus der Nase.
Das Wasser wurde immer turbulenter und machte ein Vorankommen schwierig; er war gezwungen, die Augen zu öffnen und seinen Weg zu suchen. Weit vorn erspähte er im Mahlstrom den Schein von Tammis' Lampe; das Licht drehte sich ihm zu, während der Junge eine Lücke in der sich schließenden Öffnung suchte.
»Wir sind durch!« rief Tammis. »Reede? Reede! Du kannst es schaffen!«
Reede hustete und spuckte Blut; Blut verschmierte die Sichtscheibe seines Helms. »Ich bin erledigt«, keuchte er und verstand selbst kaum, was er sagte. Die Entfernung zwischen ihnen wurde größer, die Lücke, durch die er schwamm, verkleinerte sich. Der dumpfe Takt der Turbinen dröhnte in seinem Kopf; das Wasser schien zähflüssiger zu werden, es begann zu wirbeln und zu kochen.
Ich schaff's nicht!
Seine letzten Kraftreserven verließen ihn, sein Mut war gebrochen; sollte das Wasser ruhig von ihm Besitz
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