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Tief atmen, Frau Doktor!

Tief atmen, Frau Doktor!

Titel: Tief atmen, Frau Doktor! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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jungen Ärztinnen wußten beide nicht, daß sie soeben der eingehendsten Prüfung ihres Lebens unterzogen wurden. Mit wachsender Genugtuung bemerkte Freddie, daß sie ihren Spargel weder umständlich in winzige Stückchen zerschnitten noch wie Würstchen auf die Gabel spießten. Robust und praktisch - wie man es von Ärzten erwarten kann — faßten sie ihn mit den Fingerspitzen an und führten ihn mit chirurgischem Feingefühl zu Munde. Das wohlgeformte Kinn blieb dabei unbefleckt von der Butter, die Mr. Windows aus einem versilberten Sahnekännchen goß (geschmückt mit dem Wappen der P&O-Schiffsgesellschaft - er behauptete, es sei vom Heck eines Schiffes gefallen). Plötzlich stöhnte Freddie laut auf. Alle sahen ihn bestürzt an.
    »Verzeihung, mir ist es gerade wieder eingefallen«, entschuldigte er sich. »Sie halten mich sicher für einen langweiligen Gastgeber. Aber auf mich wartet heute nachmittag eine traurige Pflicht. Euthanasie, verstehen Sie.« Er fuhr sich langsam mit der Hand, die ein Glas Château Latour hielt, über die Augen.
    »Tun Sie das oft, Dr. Fellows-Smith?« fragte Lucy und wechselte bestürzt einen Blick mit Fay.
    »Nur im äußersten Notfall.«
    »Sicher ist es manchmal das Beste, was man tun kann«, sagte Fay einlenkend.
    »Sara war eine so gute Mutter«, fuhr Freddie traurig fort. »Eine so reizende Person.«
    »Wie lautet die Diagnose?« erkundigte sich Lucy mitfühlend.
    »Der rote Schafspulwurm.« Sie blickte erstaunt. »Meine Lieblingssau«, erklärte er.
    »Es gibt aber ein neues Wurmmittel dagegen«, sagte Fay strahlend zu ihm.
    »Was? Sie kennen sich tatsächlich bei Schweinen aus?«
    »Nun ja, ich kenne mich bei Würmern aus. Das ist Teil des Pathologiekurses.«
    »Sehen Sie?« bemerkte Liz aufmunternd. »Sie sind in diagnostischer Hinsicht genauso brauchbar wie in dekorativer. «
    Die Atmosphäre am Tisch begann sich aufzulockern, hauptsächlich deswegen, weil Mr. Windows, erfahren im Hinblick auf zungenlahme Einstandsabende um den Kapitänstisch, den Rotwein so emsig einschenkte wie eine Biene, die im Hochsommer die Blüten bestäubt.
    »Da fällt mir ein«, sagte Biggin nachdenklich, »Die Ärztinnen während des Krieges gehörten nicht den Luftwaffenhelferinnen an, sondern waren Offiziere der Königlichen Luftwaffe. Sehr passable Leute, auch in der Offiziersmesse. «
    »Irgendwie habe ich mir immer vorgestellt, daß Ärztinnen feste Schuhe tragen, Pfeife rauchen und einen Brustkorb perkutieren, als ob sie einen Nagel einschlagen wollten«, gestand Roland. Sein Blick fiel auf sein altes Krankenhauswappen auf Fays T-Shirt. »Aber Sie scheinen von den richtigen Hormonen zu strotzen, Dr. Liston, wenn ich so sagen darf.«
    »Und wenn ich so sagen darf«, unterbrach Mr. Windows gewichtig, »die alte Stiftspraxis hat eine weibliche Hand nötiger als die Sieben Zwerge.«
    Roland war während des ganzen Essens schweigend dagesessen. Jetzt schob er seinen Hasenrücken von sich. »Ich war heute kaum imstande, mich hierherzuschleppen, Freddie« , entschuldigte er sich. »Ich habe mich so hundsmiserabel gefühlt. Wenn ich doch nur wüßte, was es ist«, klagte er hilflos.
    »Vielleicht ist alles nur Einbildung«, meinte Biggin.
    »Der junge Arzt redet sich stets ein, daß er von sämtlichen Krankheiten der Welt befallen ist«, sagte Freddie philosophisch zu seinen beiden Gästen. »Der alte redet sich stets ein, daß ihm nichts fehlt.«
    »Wie lange haben Sie schon eine Bleivergiftung, Dr. Carmichael?« fragte Fay liebenswürdig.
    Alle hörten zu essen auf.
    »Genau«, sagte Lucy gelassen. »Mir sind die blauen Linien auf Ihrem Gaumen aufgefallen, als Sie lächelten.«
    »Und das ist ein untrügliches Anzeichen dafür«, fügte Fay hinzu.
    »Das wäre tatsächlich eine Erklärung für meine Symptome«, stellte Roland fest und warf seinen Kollegen einen schnellen Blick zu.
    Freddie starrte die jungen Ärztinnen ungläubig an. »Aber du hast doch kein Blei geschluckt«, sagte Roland. »Auch wenn viele Patienten der Praxis verdächtig oft von bleierner Müdigkeit befallen sind.«
    »Natürlich nicht-«, Roland hielt inne. Er stierte Freddie grimmig an. »Schrotkugeln«, zischte er. »Das ganze Wild, mit dem du mich gefüttert hast, seitdem Charlotte mich verlassen hat. Es enthält so viel Blei, daß ich mich manchmal frage, ob du die armen Tiere mit einer Panzerabwehrkanone getroffen hast.«
    »Aber setzen Sie denn beim Essen Ihre Brille nicht auf, Doktor?« fragte Fay mit honigsüßer

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