Tief atmen, Frau Doktor!
gehört, der sich über die ganze Landschaft ausbreitet und sie völlig verschandelt«, sagte Liz zu ihm, »fassen Sie mit dieser Frage ein heißes Eisen an.«
»Mrs. Arkdale!« protestierte der Erzdiakon.
»Oh, beachten Sie mich gar nicht. Tun Sie so, als ob ich nicht da wäre.« Sie preßte die Lippen fest aufeinander, verschränkte die Arme über der Brust und warf ihm einen funkelnden Blick zu.
»Wo wären die Ärzte ohne Ihre Forschung?« antwortete Fay diplomatisch. »Wir nennen die Krankheit beim Namen, Sie heilen Sie.«
»Darf ich widersprechen?« Lucy war stets diskret. »Ihr gebt jährlich Millionen von Pfund aus, um für Medikamente zu werben, von denen die Ärzte nichts verstehen und die die Patienten nicht brauchen.«
»Völlig richtig!« rief ein glatzköpfiger schlaksiger Mann, der Labourkandidat von Mitrebury. »Sie hätte schon vor Jahren verstaatlicht werden sollen.«
»Halten Sie doch bitte den Mund, Ron«, bat Liz. »Wir sind hier, um zwei Ärztinnen zu ernennen und nicht, um eine Konferenz über nationale Wirtschaftsfragen abzuhalten. «
Mr. Bellwether wandte sich ihr entrüstet zu. »Mrs. Arkdale! Sie sind hier genausowenig anwesend wie der Erzengel Gabriel.«
»Ich spreche in seinem Namen. Was Mitrebury braucht, sind zwei erstklassige weibliche Ärzte. Und hier sind sie.«
»Ich werde damit beginnen, vernünftige Fragen zu stellen« , sagte der Erzdiakon mit Nachdruck. »Dr. Liston, welches Gebiet der Medizin interessiert Sie am meisten?«
»Das Nervensystem.«
»Nein, wirklich?« unterbrach er. »Vielleicht könnten Sie mir etwas erklären, was mich zutiefst beunruhigt, seitdem Mrs. Arkdale mich fast umgebr - äh, seit meinem bedauerlichen Unfall. Woher kommt dieses Kribbeln in meinen Armen? Warum habe ich das Gefühl, als ob ich Schwimmflossen anhätte? Dr. Fellows-Smith steht vor einem Rätsel. Er meint, wenn ich ein Pferd wäre, hätte ich den Koller.«
Fays Verstand arbeitete blitzschnell. Sie entsann sich der mittäglichen Konversation auf der Farm. »Ich darf doch wohl annehmen, daß Ihr Speiseplan normal ist?«
»Ganz und gar nicht! Fast die ganze Fastenzeit war ich durch unseren Bischof - ein wunderbarer Mann, doch mit einer Neigung, dem Umstand, daß alles Fleisch hinfällig ist, zuviel Gewicht beizumessen -« setzte er hastig hinzu, »dazu gezwungen, mich von Reis und Wasser zu ernähren. Zuzüglich ein paar Schlückchen Milch, da Ziegenmilch im Supermarkt nicht zu bekommen ist.«
»Was für eine Sorte Reis?« fragte Lucy. Das Komitee starrte wie gebannt auf sie.
»Einfach Reis«, erwiderte er hilflos. »Meine Frau kauft ihn im Supermarkt.«
»Ich fürchte, Sie leiden an der Beri-Beri-Krankheit«, verkündete Fay.
»Um Gottes willen!« Er sprang auf und wirbelte dabei seine Papiere durcheinander. »Wie furchtbar! Ist es ansteckend? Ach du liebe Güte! Wird man mich meiden wie einen Aussätzigen?«
»Sie haben wirklich eine Nase für die Diagnose«, rief Liz bewundernd aus. »Normalerweise findet man Beri-Beri in Gegenden wie Kambodscha - es ist eine Vitaminmangelkrankheit. Therapie, bitte, Frau Doktor?« fragte sie im Prüfungston.
»Einfach eine ausgewogene Ernährung«, sagte Fay. »Und auf keinen Fall Überanstrengung.«
»Genau. Ich schlage vor, diese beiden ausgezeichneten Ärztinnen zu bestellen. Sie unterstützen den Antrag, Ron? Einstimmig angenommen. Ich bringe Sie hinunter ins Krankenhaus, Mr. Bellwether. Meine Kollegen auf der medizinischen Station werden größtes Interesse dafür zeigen, daß eine tropische Unterernährungskrankheit in einer englischen Kathedralenstadt vorkommt.«
»Werden Sie den Bericht an die Lanzette senden?« fragte Lucy aufgeregt.
»Was heißt hier Lanzette? Das geht ins Guinness Buch der Rekorde ein. Kommt ihr mit zum Rennen? Ich habe dafür gesorgt, daß der Dom Perignon kalt gestellt wird.«
7
»Wie hast du geschlafen?« fragte Lucy.
»Wie Dornröschen persönlich«, sagte Fay.
Es war einen Monat später, Philippi- und Jakobitag. Die blasse Frühlingssonne erwärmte zum mehr als sechshundertsten Male den Stein des Kathedralenturms - ein hochragender Eiszapfen in den klaren, kalten Nächten, und die von Gräben durchzogene schwarze Landschaft funkelte im Morgenfrost und den eingelagerten Nebelschleiern.
Die zwei jungen Ärztinnen waren zum Frühstück heruntergekommen. Es war ihr erster Morgen in der Alten Stiftspraxis. Der Tisch des Wohnzimmers war mit einer glänzenden Tischdecke und mit funkelndem Silber
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