Tief atmen, Frau Doktor!
entwickeln uns in Windeseile zu zwei reifen Frauen.«
Am Freitag morgen wartete Liz in ihrem Ferrari am Bahnhof von Mitrebury.
Sie begrüßte die beiden mit den Worten: »Wir fahren zum Mittagessen auf die Farm von Dr. Freddie Fellows-Smith hinaus. Dort verbringt er viel mehr Zeit als in der Praxis. Diejenigen seiner Patienten, deren Nerven eher schwach sind, haben den Eindruck, er ist ein Farmer, der als Hobby ein bißchen praktiziert. Können Sie mit Spargel umgehen? Ich habe darauf bestanden, daß Freddie bei Fortnum Spargel besorgt - mit großem Kostenaufwand, denn er ist zur Zeit nicht leicht zu bekommen.« Auf der Hauptstraße beschleunigte Liz das Tempo. »Versuchen Sie zu vermeiden, daß die zerlassene Butter in Ihren äußeren Gehörgang gerät. Sind Sie wirklich so aufgeregt?«
»Starr vor Angst«, sagte Fay.
Liz lächelte und überholte zwei Lastwagen. »Die alten Doktoren sind ganz reizend - wenn auch eine der schwersten medizinischen Katastrophen seit der Pest. Als ich ihnen erklärt habe, daß sich ihre jungen Nachfolger einer Geschlechtsumwandlung unterzogen haben, waren sie zugegebenermaßen ein klein wenig bestürzt. Ich erinnere mich an die Worte empörend, undenkbar und lachhaft. Freddie war ganz erstaunt, daß Studentinnen in St. Bonifaz überhaupt zugelassen sind. Er sagte, früher zählten nur Rugby, Bier und die Freimaurer.«
»Ah... Mrs. Arkdale«, sagte Lucy schüchtern. »Knapp hinter uns fährt ein Polizeiauto.«
»Ja, Doktor. Ich kann es in meinem Rückspiegel sehen.«
»Äh... Mrs. Arkdale«, murmelte Fay respektvoll. »Haben wir hier nicht 60 km Geschwindigkeitsbegrenzung?«
»Und ich fahre 90? Ja, Doktor. Das stimmt.«
»Haben Sie nicht... äh... sollten Sie nicht...« meinte Lucy.
»Jedes Polizeiauto im Land hat meine Nummer. Sie glauben, ich rase zu einer armen Frau, die in den Geburtswehen liegt.« Liz und die Polizeibeamten winkten einander zu, als das Polizeiauto vorbeifuhr. »Süß sind die Freuden der Mutterschaft«, bemerkte sie.
Die drei alten Ärzte erwarteten sie bereits im niedrigen
Wohnzimmer mit Holzgebälk in Freddies Farm, ihren Rücken einem breiten Kamin mit krachenden Scheiten zugewandt. Augenblicklich sah Liz, daß sie nervöser waren als die beiden jungen Gäste. Sie stellte sie vor. Sie hörte, wie Biggin in sich hineinmurmelte: »Sieh einer an!«
»Wie geht's dem alten Ruckzuck-Drake?« fragte Freddie Lucy. »Ich meine, Ihrem Vater« , entschuldigte er sich hastig.
»Sehr gut, danke« , antwortete Lucy wohlerzogen.
»Dem alten Liston geht es auch ganz gut.« Fay lächelte. »Könnte ich einen Wodka mit Eis haben?« fragte sie Roland Carmichael, der unschlüssig mit der Sherrykaraffe dastand.
Er sah sie an, als hätte sie einen Schuß Heroin verlangt.
»Wir sind hocherfreut, eine junge Liston und eine junge Drake begrüßen zu dürfen«, fuhr Freddie fort. »Aber wir dachten nicht, daß sie rosa Rüschenhöschen tragen würden.«
»Also wirklich, Freddie«, sagte Liz in ätzendem Ton zu ihm. »Kein Mensch trägt die heutzutage mehr, außer sehr eigenartige Männer.«
»Sie werden gewiß verstehen«, sagte Roland verlegen, »daß diese Praxis Ärzte mit großem Fachwissen und viel Erfahrung benötigt.«
»Und mit einem geschulten Auge für die Diagnose«, murmelte Freddie in seinen Pink Gin hinein.
»Der Dekan des St. Bonifaz-Krankenhauses versicherte mir, daß Dr. Drake und Dr. Liston zu seinen begabtesten Studentinnen zählten«, sagte Liz ungeduldig zu ihm.
»Oh, man meint absolut alles zu wissen, wenn man von der Universität kommt«, erwiderte er. »Es hat Jahre gedauert, bis ich herausfand, daß ich in Wirklichkeit nichts wußte. Gott sei Dank brauchten die Patienten zu dieser Erkenntnis ein paar Jahre länger.«
Biggin kamen Bedenken. »Wo werden sie Quartier beziehen?«
»Was heißt hier Quartier beziehen?« fragte Liz barsch. »Wohnen, meinen Sie? In der alten Stiftspraxis. Mr. Windows kann sich ihrer annehmen. Es ist genug Platz im Haus, um die ganze weibliche Ärztekammer unterzubringen.«
»Steht schon seit Jahren leer«, beharrte er mürrisch. »Kaum geeignet für zarte Frauen.«
»Frauen sind heutzutage nicht mehr zart«, erwiderte Liz verärgert. »Es gibt ein Gesetz, das so etwas verbietet.«
Sie wurden von Mr. Windows in seinem weißen Jackett unterbrochen, der mit der Würde eines Stewards der ersten Klasse, der die Cocktailparty des Kapitäns unterbricht, verkündete, daß das Mittagessen aufgetragen sei.
5
Die
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