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Tief atmen, Frau Doktor!

Tief atmen, Frau Doktor!

Titel: Tief atmen, Frau Doktor! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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Äußerung des verstorbenen Sir John Leslie, des Schriftstellers, der vor etwa zehn Jahren starb? >Es ist das Ideal der englischen Kirche, jede Pfarre des Königreichs mit einem ortsansässigen Geistlichen zu versehene Offenbar sind unsere Ideale genauso kompliziert geworden wie alles andere im modernen Leben.«
    Der Kaplan antwortete steif: »Der Bischof glaubt daran, daß Veränderung die einzige Herausforderung ist, die beherzte Männer ablehnen.«
    »Ich nehme an, Sie joggen morgen früh.«
    »O nein.«
    Der Blick des Erzdiakons war ausdruckslos. »Und warum nicht?« Das glatte, blasse Gesicht des Kaplans schmolz unter einem Lächeln wie Butter. Er pochte kräftig an sein Brustbein. »Die Pumpe.«
    »Aber Sie strotzen doch vor Gesundheit.«
    »Ganz und gar nicht. Der Schein trügt. In meiner Kindheit habe ich an Rheumatismus gelitten. Zumindest ist mir das gesagt worden. Bei zuviel Bewegung wäre ich wahrscheinlich bald mausetot.«
    »Das konnten Sie dem Bischof glaubhaft machen?« fragte der Erzdiakon ungläubig.
    »Der Bischof hatte keine Wahl«, erwiderte der Kaplan selbstgefällig. »Ich wies ein ärztliches Zeugnis von Dr. Fellows-Smith vor.« Sie waren beim Wartesaal am unteren Ende der Stiege angelangt. »Er ist mein Hausarzt. Krankenkasse.«
    »Meiner auch«, sagte der Erzdiakon mit wachsendem Interesse. »Und natürlich auch Krankenkasse. Private Versorgung überstiege meine Finanzen bei weitem.« Noch ein
    Gedanke kam ihm. »Was halten Sie von der Idee mit dem Reis?« fragte er und entsann sich zum ersten Mal seit Jahren einer Tracht Prügel, die er in der Schule abbekommen hatte, weil er glitschigen Pudding mit dem Löffel durch den Speisesaal geschossen hatte.
    »Essen bedeutet mir nicht allzuviel.«
    »Sie haben sich wohl auch erfolgreich vor der Diät gedrückt? « fragte der Erzdiakon scharf.
    Der Kaplan klopfte auf sein Zwerchfell. »Mein altes Zwölffingerdarmgeschwür.«
    »Was für ein Geschwür? Jedesmal, wenn ich im Palais abendesse, futtern Sie wie ein Holzfäller.«
    »Diese Beschwerden kehren immer wieder. Es trifft einen aus heiterem Himmel. Ungenügende Ernährung könnte zu einer ganz plötzlichen Perforation des Geschwürs führen. So wie eine Zehe einen alten Socken durchbohrt. Ganz sicher lebensgefährlich.«
    »Noch ein ärztliches Zeugnis, nehme ich an?«
    Der Kaplan nickte lebhaft. Er stand auf der dem Wind ausgesetzten Schwelle und rieb sich die dicken roten Hände. Seit Monaten fragte er sich, wie er Erzdiakon Bellwether zu seinem Verbündeten machen könne. Tüchtig, verschwiegen und verschlagen, wie er war, hätte der Kaplan in jeder Organisation, die unvorsichtig genug wäre, ihn als zweiten Mann einzusetzen, auf Schleichwegen sein Ziel erreicht. Als Generaladjutant, als Parlamentssekretär oder persönlicher Assistent des Vorsitzenden einer Gesellschaft hätte er das gleiche Gefühl der Erfüllung genossen.
    Der schwache alte Bischof hatte den Reverend Arthur Dawney mit Dankbarkeit seinen Privatsekretär genannt. Das Unheil, das er in der Kirche stiftete, übersah er geflissentlich und deckte es nicht auf. Der starke neue Bischof hatte fairerweise eingewilligt, ihn zu behalten, aber jede Stärkung effektiver bischöflicher Macht hatte die des Kaplans eingeschränkt. Ohne eine Intrige spinnen zu können, wurde der Reverend Arthur Dawney verdrießlich wie eine alte Jungfer ohne ihr Strickzeug.
    »Eine hervorragende Praxis«, sagte der Kaplan enthusiastisch. Mr. Bellwether nickte. Die älteste und geachtetste Gemeinschaftspraxis der Stadt wurde auf eine würdevolle, ruhige, gemächliche Art und Weise geführt, die zu den Patienten paßte.
    »Ich neige zu Gicht«, erwähnte der Erzdiakon hoffnungsvoll.
    »Na, versuchen Sie es damit«, ermunterte ihn der Kaplan. »Die Arbeiter in unseren Fabriken hier bekommen wochenlang für eingebildete Krankheiten frei.«
    »Meine Gicht ist nicht eingebildet«, antwortete der Erzdiakon brüsk.
    »Natürlich nicht. Also, guten Morgen, Bill. Es wird einem warm ums Herz, wenn man sieht, wie energiegeladen der Bischof zurückgekehrt ist, nicht wahr? «
    Die Turmuhr schlug die halbe Stunde. Um neun Uhr mußte der Erzdiakon den Vorsitz über das Pfarrinstandhaltungskomitee führen. Er entsann sich, daß Dr. Fellows-Smith im Ruf stand, am Morgen leicht reizbar zu sein, doch gegen Mittag milder zu werden.
     

3
     
    Lautes Hupen und das Kreischen von Bremsen zerstörten jäh die düstere Mittagskontemplation des Erzdiakons im Vorhof der Stiftspraxis.

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