Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tief durchatmen, die Familie kommt: Roman (German Edition)

Tief durchatmen, die Familie kommt: Roman (German Edition)

Titel: Tief durchatmen, die Familie kommt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Sawatzki
Vom Netzwerk:
sie ins Haus: »Hallihallo, da seid ihr ja alle! Wie schööön, euch wiederzusehen!« Sie gab Matz und Rolfi einen schmatzenden Kuss, Rose übersah sie geflissentlich, und Ricarda war schon wieder verschwunden.
    Susanne drehte sich nach mir um. »Schlecht siehst du aus, Liebes! Geht’s dir nicht gut? Wo ist denn mein Sohn?«
    Erst jetzt fiel mir ein, dass Gerald noch nicht wieder da war. »Spazieren.«
    »Bei dem Wetter? Na, er war ja schon immer ein Abenteurer«, sagte sie und lächelte in sich hinein. Meinte sie das ernst?
    Dann war sie auch schon im Wohnzimmer. »Gott, ist das herrlich! Nein, ist der schön! Wie der funkelt! Ganz wunderbar. Ach, Kinder, wie ich mich freue, hier zu sein!«
    Sprach sie von unserem Baum? Hans-Dieter auf der Couch konnte sie kaum meinen.
    Alle sahen einander an und lächelten. Ich, weil ich mich freute, dass jemand meinen Baum schön fand, und die anderen, weil sie wussten, dass Oma Susanne einen an der Waffel hatte.
    Dann war es still.
    »Hier liegt jemand auf der Couch, gehört der zu uns? Hallo? Ja, das machen Sie genau richtig, schön ausruhen, bevor das große Fest losgeht.«
    Sie sah mich an. »Da liegt jemand.«
    »Das ist Hans-Dieter.«
    »Wer?«
    »Mein Bruder.« Sie glotzte mich an.
    »Liebe Güte, Susanne. Mein Bruder Hans-Dieter. Den kennst du doch nun wirklich seit Jahren.«
    »Natürlich kenn ich den. Was denkst du denn? Auch nicht mehr der Jüngste, was? Sich am helllichten Tag schlafen zu legen.«
    »Ihm ist schlecht, er schläft sonst nie tagsüber.«
    Rose trat aus ihrer Ecke hervor. »Hallo, Susanne, frohe Weihnachten.«
    »Ach nein, was für eine Überraschung! Wie schön, dich wiederzusehen!« Sie gab Rose die Hand und schüttelte sie etwas zu lang. Ihr Gesicht war wie ein lebendes Fragezeichen. Wer ist diese dicke, fette, schlecht gekleidete Frau? Ich hab sie noch nie gesehen. Sie passt gar nicht zu uns, schien sie zu denken.
    »Susanne, das ist Rose«, sagte ich vorsorglich. »Hans-Dieters Frau.«
    Aber meine Mutter unterbrach mich: »Wo habt ihr Edgar gelassen?« Sie tauchte hinter Susanne auf und machte ein vorwurfsvolles Gesicht. »Hallo, Susanne, entschuldige, ich begrüße dich später.«
    »Aber natürlich, Liebes, grüß dich! Habt ihr Edgar verloren?«
    »Susanne, jetzt lass mal.« Ich drückte sie zur Seite und lief zur Toilette. Niemand da. »O je, Papi ist weg.«
    Wir durchsuchten das Erdgeschoss. Nichts. Die oberen Stockwerke. Nichts.
    »Vielleicht ist er im Keller?«, sagte ich.
    »Gundula. Dein Vater ist doch nicht meschugge. Im Keller ist es viel zu kalt, da würde er keine zwei Minuten bleiben«, sagte Susanne.
    »Man sieht, dass du dich mit Menschen, die an Demenz leiden, bestens auskennst!«, warf meine Mutter bissig ein.
    »Entschuldige, ich kann auch nichts dafür, dass Geralds Vater dieses Alter nicht mehr erleben durfte und bei klarem Verstand gestorben ist.«
    »Das habe ich doch gar nicht gemeint! Es tat mir sehr leid, als er starb, ich mochte ihn.«
    »Das war nicht zu übersehen!«
    Jetzt ging das wieder los. Unsere Mütter durfte man nicht aufeinander loslassen. »Bitte, hört auf damit. Das ist wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, um zu streiten.« Ich machte die Kellertür auf, das Licht brannte. Langsam stieg ich die Stufen hinunter. Niemand war zu sehen. Weder die Hunde noch mein Vater. »Papi? Gulliver, Othello!«
    Stille. Ein leises Rascheln hinter der Tür zum Getränkeraum. Ich holte tief Luft und drückte die Türklinke.
    Vor mir, auf ein paar Weinkartons, saß mein Vater. Er hatte eine Flasche Eierlikör neben sich und schien mich im ersten Moment nicht zu erkennen. »Also, die Hunde sind abgefüttert. Die sind jetzt aus dem Gröbsten raus«, sagte er zuversichtlich. Vor ihm lag ein riesiges schwarz-weiß gepunktetes Etwas. Bei näherem Hinsehen erkannte ich Gulliver. Er hatte alle viere von sich gestreckt. Seine Augen waren geschlossen, und er rührte sich nicht.
    Mein Blick fiel auf die Entenplatte. Leer. Jemand hatte die zwei Bioenten gegessen. Das durfte nicht wahr sein! Wo bekam ich jetzt Ersatz her? Ich ließ mich auf den Boden sinken und guckte Gulliver an, während mir Tränen der Verzweiflung übers Gesicht liefen. Die Enten waren weg, und Gulliver atmete nicht mehr. Sein Bauch sah aus wie ein Bierfass. »Papi, du hast Gulli umgebracht! Er hat sich totgefressen.«
    Da öffnete Gulliver ein Auge und sah mich träge an. Er seufzte zufrieden und schloss das Auge wieder.
    Unter seinem Kopf bewegte sich etwas. Ich

Weitere Kostenlose Bücher