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Tief durchatmen, die Familie kommt: Roman (German Edition)

Tief durchatmen, die Familie kommt: Roman (German Edition)

Titel: Tief durchatmen, die Familie kommt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Sawatzki
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gerannt, prallte gegen meine Beine und blickte mit dem Schwanz wedelnd zu mir auf. Ihm hing irgendwas aus dem Maul, und als ich mich zu ihm hinunterbeugte, sah ich, dass es ein dickes Stück Frühstücksschinken war. »Othello! Wo hast du das schon wieder her, du Scheißvieh!« Othello spuckte mir den Schinken vor die Füße, klemmte den Schwanz zwischen die Hinterbeine und schlich davon, nicht ohne mir noch einen gekränkten Blick zuzuwerfen. In der Küche krachte es, und als ich um die Ecke schaute, sah ich Gulliver, der auf den Hinterbeinen stehend an der Anrichte lehnte. Die Vorderpfoten hatte er im Spülbecken abgelegt und bekam sie nicht mehr raus. Er steckte fest. »Gulliver!«
    Ein Zittern durchlief seinen riesigen Körper, und Gulliver fiepte reumütig auf, als ich hinter ihn trat, ihn am Halsband packte und unsanft aus seiner Lage befreite.
    »Du garstiger blöder Pfuihund! Was machst du im Spülbecken?« Er ließ sich mit hängenden Ohren auf den Küchenboden sinken und schob seine Schnauze zwischen meine Füße. Erst jetzt sah ich, dass der Boden ganz rot war. Dann erkannte ich die Überreste meiner Meißener-Porzellan-Schüssel, in der die rote Grütze für den Nachtisch gewesen war.
    Hinter mir ertönte die Stimme meines Vaters. »Na, das ist ja wieder ein Lärm hier.«
    Ich drehte mich um. Und da stand er mit ratlosem Gesicht neben dem geöffneten Kühlschrank und hielt ein Stück Käse in der Hand.
    »Papi! Was machst du da?«
    »Ich hatte Hunger. Hier gibt es ja sonst nichts.«
    An der Küchentür hörte ich gedämpftes Kichern. Meine Mutter war zurück und beobachtete uns.
    »Siehst du? Das meinte ich. Man kann ihn nicht aus den Augen lassen.«
    »Mami, du wolltest dich doch um ihn kümmern?«
    »Ja, aber ich hatte vorher noch etwas anderes zu tun. Jetzt sieht Susanne mal, was passiert, wenn man ihm seine Freiheit lässt.«
    »Danke, Mami! Schau mal, wie es jetzt hier aussieht!«
    »Na ja, eben.«
    Eine Hitzewelle durchlief meinen Körper, und ich wischte mir mit dem Handrücken den Schweiß von der Oberlippe.
    Mein Vater schien nichts von dem Chaos, das er verursacht hatte, mitzubekommen. Er sah durch mich hindurch und war mit seinen Gedanken schon wieder woanders. Gulliver wedelte schlaff mit dem Schwanz, guckte mich treuherzig an und stieß erneut ein zartes Fiepsen aus. Manchmal scheint er sich für einen sehr kleinen Hund zu halten.
    Ich sah wieder zum Spülbecken und erinnerte mich daran, dass ich die Meißener Schüssel daneben abgestellt hatte. Gulliver hatte versucht, an die rote Grütze heranzukommen, war dann abgerutscht und mit den Vorderpfoten in der Spüle stecken geblieben.
    Ich bückte mich nach der Kehrschaufel. »Jetzt haben wir bald gar nichts mehr zu essen.«
    »Papi, Papi ist da!« Das war Matz. Er freute sich als Einziger von den Kindern, wenn einer von uns nach Hause kam.
    Ich kniete auf dem Küchenboden in der roten Grütze und konnte mich nicht weiter um Gerald kümmern. Mein Vater knabberte an seinem Käsestück und sah mir zu. »Na, das ist ja eine Riesensauerei. Früher hattest du deine Küche besser im Griff!«
    Ich sah zu ihm auf: »Papi, guck doch einfach mal nach draußen, Gerald ist gerade nach Hause gekommen.«
    »Ach, der gute alte Gerald, das ist aber nett.« Er schmiss den Käse ins Spülbecken und ließ mich allein. Ob meine Mutter ihm aufgetragen hatte, mein Weihnachtsessen zu sabotieren? Ich musste unbedingt an meine Atemübungen denken.

12.
    Kapitel
    »Gundula!« Roses Stimme klang ein bisschen hysterisch. »Gundula!«
    »Ja, was ist denn, Rose?« Ich kniete auf dem Schlafzimmerboden und war gerade dabei, die restlichen Geschenke einzupacken.
    »Der Baum geht gar nicht an!«
    »Was?«
    Da stand sie schon keuchend vor mir: »Der Baum geht nicht an.«
    »Mein Gott, Rose, was meinst du denn? Wieso geht welcher Baum nicht an?«
    »Der Christbaum!«
    »Du musst einfach den CD -Player ausstöpseln.«
    Sie guckte mich an und begriff nicht. Sie sah aus wie ein zu dickes Schaf ohne Wolle. »Rose, wir haben nur eine Steckdose im Wohnzimmer, du musst den Stecker des CD -Players aus der Steckdose ziehen, um den Baum anmachen zu können.«
    »Aber da ist nichts zum Reinstecken!«
    Ich seufzte, legte Schere und Schleifchen auf den Boden, lief an ihr vorbei, die Treppe runter, den Flur entlang ins Wohnzimmer, stellte mich vor den Baum, suchte die Lichterkette und fand sie nicht. »Verflixt, ich hab die Lichter vergessen!«
    Hans-Dieter und Gerald saßen auf der Couch und

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