Tief im Herzen: Roman (German Edition)
Seth und mit Ihren Brüdern reden müssen. Wann kommt er aus der Schule nach Hause?«
»Wann?« Cam blickte ratlos zur Wanduhr. »Das ist … verschieden.«
»In diesem Punkt müssen Sie aber besser Bescheid wissen, falls es zu einer offiziellen Untersuchung kommen sollte. Ich fahre bei der Schule vorbei und spreche dort mit ihm. Ihr Bruder Ethan …« Sie stand auf. »Ob ich ihn jetzt zu Hause antreffe?«
»Nicht zu dieser Tageszeit. Bis um fünf holt er seinen Fang ein.«
Sie schaute auf ihre Uhr, schätzte ab, wieviel Zeit ihr
blieb. »Na schön, dann setze ich mich noch mit Ihrem zweiten Bruder in Baltimore in Verbindung.« Aus ihrer Aktenmappe holte sie ein hübsches ledergebundenes Notizbuch. »Können Sie mir noch Namen und Adressen einiger Nachbarn geben? Leute, die Sie und Seth kennen und die für Ihren Charakter bürgen? Die guten Seiten Ihres Charakters, meine ich.«
»Ich könnte Ihnen vermutlich ein paar nennen.«
»Das wäre ein Anfang. Ich muß hier einige Nachforschungen anstellen, Mr. Quinn. Sollte es für Seth gut sein, bei Ihnen zu bleiben, in Ihrer Obhut, werde ich tun, was ich kann, um Ihnen zu helfen.« Sie legte den Kopf schief. »Sollte ich allerdings der Meinung sein, daß es besser für ihn ist, woanders zu leben, werde ich Sie mit Zähnen und Klauen bekämpfen.«
Cam erhob sich. »Dann sind wir uns wohl einig.«
»Noch nicht. Aber irgendwo muß ich ja anfangen.«
Kaum hatte sie das Haus verlassen, griff Cam zum Telefon. Bis er auf dem Umweg über eine Sekretärin und eine Assistentin zu Phillip durchkam, war seine Geduld erschöpft.
»Bei mir war eine Sozialarbeiterin.«
»Ich hab’ dir gesagt, daß du darauf gefaßt sein mußt.«
»Hast du nicht.«
»O doch. Du hörst nur nicht zu. Ich habe einen Freund, einen Rechtsanwalt, auf die Vormundschaftssache angesetzt. Seths Mutter ist untergetaucht. Soweit wir wissen, hält sie sich nicht in Baltimore auf.«
»Mir ist piepegal, wo die Mutter ist. Die Sozialarbeiterin hat gedroht, Seth mitzunehmen.«
»Der Rechtsanwalt wird eine vorläufige Vormundschaft durchsetzen. Das braucht aber Zeit, Cam.«
»Vielleicht haben wir die nicht.« Er schloß die Augen, versuchte gegen die Wut anzukämpfen und nachzudenken. »Oder vielleicht habe ich ein wenig Zeit für uns herausgeholt. Wem gehört das Haus jetzt?«
»Uns. Dad hat es – nun, alles – uns dreien hinterlassen.«
»Gut, prima. Weil du nämlich den Wohnsitz wechseln wirst. Du wirst deine Designeranzüge einpacken müssen, Kumpel, und deinen Hintern hierher bewegen. Wir werden wieder zusammenleben.«
»Nichts da.«
»Und ich muß mir einen Job suchen. Ich erwarte dich heute abend gegen sieben. Bring was zu essen mit. Ich bin es leid, ständig zu kochen.«
Es verschaffte ihm eine gewisse Befriedigung, Phillips wüste Beschimpfungen zu unterbrechen, indem er einfach auflegte.
Anna fand Seth mißmutig, vorlaut und hochnäsig. Sie mochte ihn auf Anhieb. Es war ihr erlaubt worden, ihn für ein Gespräch aus dem Unterricht zu holen.
»Es wäre einfacher, wenn du mir sagen würdest, was du denkst und fühlst, und was du willst.«
»Wieso interessiert Sie das?«
»Man bezahlt mich dafür.«
Seth zuckte die Achseln und zeichnete mit dem Finger Muster auf die Tischplatte. »Ich finde, Sie sollten sich um Ihre eigenen Angelegenheiten kümmern. Ich langweile mich, und ich will, daß Sie weggehen.«
»Na, nun hast du mir ja deine Meinung über mich gesagt«, meinte Anna und sah zu ihrem Vergnügen, wie Seth nur mit Mühe ein Lächeln unterdrückte. »Sprechen wir über dich. Bist du glücklich bei Mr. Quinn?«
»Das Haus ist cool.«
»Ja, mir hat es auch gefallen. Was ist mit Mr. Quinn?«
»Er denkt, er weiß alles, hält sich für eine große Nummer, weil er die Welt gesehen hat. Jedenfalls kann er überhaupt nicht kochen, das kann ich Ihnen sagen.«
Sie ließ ihren Stift auf dem Tisch liegen und faltete die Hände über ihrem Notizbuch. Er war viel zu dünn, fiel ihr auf. »Gehst du denn hungrig ins Bett?«
»Am Schluß holt er immer Pizza oder Hamburger. Erbärmlich.
Ich meine, was ist denn schon dabei, eine Mikrowelle zu bedienen?«
»Vielleicht solltest du das Kochen übernehmen.«
»Als wenn er mich darum bitten würde. Neulich abend hat er sogar die Kartoffeln versaut.« Seth lachte laut los. »Was für ein Chaos! Er hat geflucht wie ein Wahnsinniger, mannomann.«
»Also stellt er sich in der Küche nicht gerade geschickt an.« Aber er gab sich Mühe,
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