Tief im Herzen: Roman (German Edition)
streckte die Hand aus, um mit ihrem Haar zu spielen. »Wo waren Sie, Anna?«
»Hören Sie, meine Arbeitszeit ist lange vorbei, und mein Privatleben geht Sie …« Sie brach ab und unterdrückte ein Aufstöhnen, als sich die Tür gegenüber öffnete.
»Sie sind von Ihrer Verabredung zurück, Anna?«
»Ja, Mrs. Hardelman.«
Die alte Frau trug einen rosaroten Bademantel aus Chenille und spähte über den Rand der Brille, die auf ihrer Nase saß. Sie strahlte Cam an, und das Lächeln erhellte ihr angenehmes Gesicht. »Oh, der sieht viel besser aus als der Letzte.«
»Danke.« Cam trat näher und erwiderte ihr Lächeln. »Hat sie denn viele?«
»Oh, sie kommen und gehen.« Mrs. Hardelman lachte leise und bauschte ihr dünnes weißes Haar auf. »Sie behält sie nie lange.«
Cam lehnte sich freundschaftlich an den Türpfosten und genoß die unmutigen Laute, die von Anna kamen. »Vermutlich hat sie noch keinen gefunden, den zu behalten sich lohnte. Hübsch ist sie jedenfalls.«
»Und so ein nettes Mädchen. Sie kauft auf dem Markt für uns ein, wenn meine Schwester und ich nicht ausgehen wollen. Bietet uns immer an, uns am Sonntag zur Kirche zu fahren. Und als mein Petie starb, hat Anna sich höchstpersönlich um das Begräbnis gekümmert.«
Mrs. Hardelman schaute Anna mit solcher Zuneigung und Freundlichkeit an, daß diese nur seufzen konnte. »Sie verpassen Ihre Sendung, Mrs. Hardelman.«
»Oh, ja. Ich liebe meine Komödien über alles. Also kommen Sie mal wieder«, sagte sie zu Cam und schloß leise ihre Tür.
Und da Anna genau wußte, daß ihre Nachbarin durch das Guckloch spähen würde, in der Hoffnung, einen romantischen Gutenachtkuß mitanzusehen, holte sie ihre Schlüssel heraus.
»Da Sie schon mal hier sind, können Sie ebensogut mit reinkommen.«
»Danke. Sie haben den Mann Ihrer Nachbarin begraben?«
»Ihren Kanarienvogel«, stellte Anna richtig. »Petie war ein Vogel. Sie und ihre Schwester sind seit etwa zwanzig Jahren Witwen. Und ich habe lediglich einen Schuhkarton geholt und draußen hinter dem Haus neben einem Rosenstrauch ein Loch gegraben.«
Er fuhr ihr wieder mit der Hand übers Haar, als sie die Tür aufschob. »Es hat ihnen etwas bedeutet.«
»Passen Sie auf Ihre Hände auf, Quinn«, sagte sie warnend und schaltete das Licht ein.
Um zu zeigen, daß er bereit war, ihr zu gehorchen, steckte er sie in die Taschen, während er sich im Zimmer umsah. Weiche, tiefe Polster, helle, kräftige Farben. Die Einrichtung deutete auf ein ausgeprägt sinnliches Wesen hin.
Der Gedanke gefiel ihm.
Das Zimmer war geräumig, und sie hatte es sparsam eingerichtet. Das Sofa war groß genug, um darauf zu schlafen, aber nur ein breiter Polstersessel und zwei Tische leisteten ihm Gesellschaft.
Ihre Wände hatte sie mit Kunst geschmückt, mit Drukken, Postern, Tuschezeichnungen. Zumeist waren Orte abgebildet, keine Menschen, und so manchen der Schauplätze erkannte er wieder: die verwinkelten Straßen Roms, die
wilden Klippen Westirlands, die eleganten kleinen Cafés von Paris.
»Da bin ich gewesen.« Er tippte auf die Zeichnung eines Pariser Cafés.
»Wie schön für Sie.« Sie sagte es in trockenem Ton und versuchte sich nicht darüber zu ärgern, daß sie sich bisher nur durch die Betrachtung ihrer Bilder eine Vorstellung vom Ausland hatte machen können. »Also, was wollen Sie hier?«
»Ich möchte mit Ihnen reden, über …« Er beging den Fehler, sich umzudrehen und sie anzusehen. Offenbar war sie sehr aufgebracht, aber das machte sie nur noch attraktiver. Ihr Blick und ihr Mund waren abweisend und ihr Körper wirkte angespannt. »Himmel, sind Sie eine Schönheit, Anna. Ich fühlte mich von Anfang an von Ihnen angezogen – ich vermute, das haben Sie bemerkt –, aber … wer hätte das ahnen können?«
Sie wollte sich nicht geschmeichelt fühlen, wollte nicht, daß ihr Herzschlag sich beschleunigte. Aber es war schwierig für sie, sich unter Kontrolle zu halten, wenn ein Mann wie Cameron Quinn vor ihr stand und sie ansah, als wollte er sie verschlingen.
Sie holte vorsichtig Luft. »Sie wollten mit mir reden, worüber?«
»Über den Kleinen und über andere Dinge. Wie wär’s mit einem Kaffee? Das ist doch erlaubt, oder?« Er beschloß, sie beide auf die Probe zu stellen, und so ging er zu ihr. »Ich glaube, Sie erwarten von mir, daß ich mich zivilisiert verhalte. Ich bin bereit, es zu versuchen.«
Sie dachte kurz nach, dann drehte sie sich auf ihren sexy blauen Stilettos um. Cam
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