Tief im Herzen: Roman (German Edition)
erledigen.«
»Du solltest dich schämen.«
»Deine städtische Erziehung schlägt durch.«
»Ich würde eher sagen, meine Menschlichkeit. Wenn es meine Enten wären, würde sie niemand erschießen.« Als er grinste, sah sie ihn argwöhnisch an. »Du wolltest mich verkohlen.«
»Und es hat geklappt. Du siehst so süß aus, wenn du empört bist.« Er küßte sie auf die Wange, um sie zu besänftigen. »Meine Mutter hatte ein viel zu weiches Herz, um uns jagen zu lassen. Angeln hat ihr nichts ausgemacht. Sie sagte, da hätten beide Seiten eine faire Chance. Und sie haßte Feuerwaffen.«
»Wie war sie so?«
»Sie war … stark«, sagte er. »Es war schwer, sie aus dem Gleichgewicht zu bringen. Wenn es einem von uns gelang, dann konnte sie sehr aufbrausend sein. Sie liebte ihre Arbeit, liebte Kinder. Sie war sehr empfindsam. Sie weinte bei Filmen oder über Bücher, und sie konnte nicht mal zusehen, wenn wir Fische ausnahmen. Doch wenn es Probleme gab, dann war sie da wie ein Fels in der Brandung.«
Ohne es zu merken, hatte er Annas Hand genommen. »Als ich herkam, hatte man mich übel zusammengeschlagen. Sie hat mich zusammengeflickt. Ich wollte eigentlich abhauen, nachdem ich wieder auf den Beinen war. Ich hielt beide für Trottel, die ich jederzeit berauben konnte, um dann zu verschwinden. Ursprünglich wollte ich nach Mexiko gehen. Aber ich hatte mich in sie verliebt. Es war an dem Tag, als ich von meinem ersten Segeltörn mit Dad zurückkam. Eine ganz neue Welt hatte sich vor mir aufgetan.
Ich hatte Angst davor, aber da war sie. Er ging ins Haus, um irgendwelche Referate zu benoten, glaube ich. Und ich meckerte, daß ich diese blöde Schwimmweste tragen müsse, und noch über verschiedene andere Dinge. Sie nahm mich bei der Hand und zog mich ins Wasser, sagte, so könne ich besser schwimmen lernen. Und sie hat es mir beigebracht. Etwa drei Meter vom Steg entfernt habe ich mich in sie verliebt. Man hätte mich nie mehr von hier wegbekommen.«
Gerührt hob Anna seine Hand, um sie an ihre Wange zu legen. »Ich wünschte, ich hätte sie gekannt. Alle beide.«
Er veränderte seine Haltung, wußte plötzlich, daß er ihr etwas erzählt hatte, was er noch nie mit jemandem geteilt hatte. Und er dachte daran, wie er gestern nacht hier gesessen und mit seinem Vater geredet hatte. »Glaubst du eigentlich daran, daß Menschen zurückkehren können?«
»Von wo?«
»Na ja, als Gespenster, Geister und so?«
»Nein, das glaube ich nicht«, sagte sie nach kurzer Überlegung. »Nach dem Tod meiner Mutter gab es Augenblicke, in denen ich ihr Parfüm riechen konnte, einfach so aus heiterem Himmel, ohne Grund, und dieser Geruch war so … entsprach ihr so. Vielleicht war er wirklich da, vielleicht auch nur in meiner Fantasie, aber es hat mir geholfen. Das allein zählt wohl.«
»Ja, aber …«
»Oh!« Sie ließ fast die Angelrute fallen, als sie den Ruck spürte. »Da ist was! Nimm schnell!«
»Nein. Du hast ihn gefangen.« Er war froh, daß die Ablenkung zur rechten Zeit kam, er hätte sich sonst noch völlig lächerlich gemacht. Cam hielt die Rute gerade. »Spul sie ein Stück auf, dann gib wieder nach. Ja, so. Nein, nicht ziehen, ganz langsam und gleichmäßig.«
»Er fühlt sich schwer an.« Ihr Herz klopfte bis zum Hals. »Schrecklich schwer.«
»Das sind sie immer. Du hast ihn jetzt, hol ihn weiter ein.« Cam stand auf, um das Netz zu holen, das immer am Ende des Stegs hing. »Hol ihn rauf!«
Anna lehnte sich mit halbgeschlossenen Augen zurück, riß sie aber erschrocken auf, als der Fisch zuckend aus dem Wasser ins Sonnenlicht schnellte. »Oh, mein Gott.«
»Laß die Rute um Himmels willen nicht los.« Cam schüttelte sich vor Lachen, als er ihre Schulter packte, damit sie nicht ins Wasser fallen konnte. Dann beugte er sich vor und holte den sich windenden Katzenfisch mit dem Netz ein. »Ein ganz schöner Brocken.«
»Was soll ich tun? Was soll ich jetzt tun?«
Geschickt befreite Cam den Fisch vom Haken und reichte ihr dann zu ihrem Entsetzen das Netz. »Halt gut fest.«
»Laß mich mit diesem Tier nicht allein.« Sie warf ihrem Fang einen Blick zu, erkannte Barthaare und Fischaugen und kniff dann fest die Augen zusammen. »Cam, komm sofort wieder her und nimm mir dieses häßliche Ding ab.«
Er stellte den mit Wasser gefüllten Eimer auf den Steg, nahm das Netz und warf den Fang hinein. »Stadtpflanze.«
Sie atmete erleichtert auf. »Kann sein.« Dann spähte sie in den Eimer. »Igitt. Wirf ihn wieder
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