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Tief

Tief

Titel: Tief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Croft
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Quatsch.«
    »Nun ja. Es ist auch nicht offiziell bestätigt. Aber Berichte von der Begegnung sind an Staatsbeamte im Umwelt- und im Verteidigungsministerium geschickt worden. Nun, sie tun natürlich gar nichts damit, aber es ist nicht abzustreiten, dass dem Gebiet um SONAZ herum verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt wird.«
    Rattigan wurde verdächtigt, illegal Stoffe zu verklappen. Warum sonst sollte sich jemand die Mühe machen und Schiffe in diese gottverlassene Gegend schicken? Aber er vermutete auch, dass Whitehall gegen diese Aktivität nichts einzuwenden hatte; es gab Gerüchte, dass Großbritannien selbst das Sperrgebiet schon seit Jahren als Mülleimer benutzte – kein Wunder, dass die Regierung nicht scharf darauf war, andere dafür an den Pranger zu stellen.
    »Nun, das ist gut zu wissen«, sagte Rattigan mit beißender Ironie.
    »Aber es interessiert Sie nicht?«
    Rattigan musterte ihn mit kaum verhohlener Verachtung.
    »Entschuldigung«, sagte Jenkins. »Es geht mich ja nichts an.«
    Rattigan schloss die Augen und seufzte. Verschwinde jetzt, du Clown, dachte er, und lass mich über meine Tochter nachdenken …
    Eigentlich sieht er ziemlich furchterregend aus, stellte Jenkins zum ersten Mal fest. Er starrte auf den mächtigen Brustkorb, der sich hob und senkte; er hat das Potenzial zu … zu was? Jenkins wusste es nicht, und eigentlich wollte er es auch gar nicht wissen. Rasch wandte er sich ab, als Rattigan die Augen wieder öffnete und ihn mit einem starren Blick bedachte, so tief und dunkel wie eine Kohlenmine.

3
    Der Bentley hielt vor Bob’s Caff. Rattigan spähte durch die getönte Windschutzscheibe: Was für ein Dreckloch! Ally konnte doch unmöglich diese Absteige gemeint haben? Sein Chauffeur öffnete ihm die Tür, und er stieg aus dem Auto. Er ruckte mit den Schultern, damit sein Anzug richtig saß, und blickte auf seine Armbanduhr: zwanzig Minuten zu früh. Mit übertriebenem Ekel blickte er die Straße entlang, wobei er all das sah, was ihn wahnsinnig machte: heruntergekommene Läden, alleinerziehende Mütter, die rotznäsige Kinder hinter sich herzogen, unmöglich gekleidete Teenager, Drogenabhängige und Obdachlose, die auf dem Bürgersteig hockten. Oh, Ally ist doch wirklich ein dummes Ding, mich hierher zu bestellen. Aber sie ist jung. Ich verzeihe ihr. Ich würde ihr fast alles verzeihen.
    Ally war vor fast zwei Jahren nach Oxford gegangen, um auf seinen Vorschlag hin Politik, Philosophie und Ökonomie zu studieren. Das war seiner Meinung nach der geeignete Abschluss, um von Anfang an zu signalisieren, dass man Karriere machen wollte. Er empfand eine Art verzweifelten Stolz für sie, aber dass sie nicht mehr bei ihm war, konnte er nur schwer ertragen. Ihre Vater-Tochter-Beziehung war immer sehr eng gewesen. Sogar mit vierzehn oder fünfzehn hatte sie noch regelmäßig auf seinem Schoß gesessen – so liebreizend, so unschuldig. Rattigan richtete vor dem dunklen Spiegel des Wagens seine Krawatte. Manchmal fragte er sich, ob Theresa, seine Frau, ihn wohl verdächtigte, zu intensiv mit dem Mädchen umzugehen. Er schniefte ungeduldig. Wie konnte sie so etwas denken? Nach dem, was ich als Kind durchgemacht habe, nach allem, was ich getan habe, dem Geld, das ich gespendet habe, den Projekten, die ich ins Leben gerufen habe?
    Als Theresa noch jung und schön gewesen war, mit ihrer Anmut und der Zartheit des Geistes, die er so bewundert hatte, da hatte er nach ihr gehungert. Und er hatte geglaubt, sie sei glücklich in der Ehe, würde seinen Erfolg genießen. Und dann, und dann … und dann ruinierte sie alles, indem sie versuchte, ihn zu verlassen. Er konnte sich immer noch an den Schock erinnern, an das Gefühl des Verrats, die Panik in seinem Herzen bei dem Gefühl der Verlassenheit. »Du liebst das Geld, nicht mich«, hatte sie gesagt. Aber – Rattigan ballte die Faust – sie hatte gut reden, sie musste ja nie ohne leben …
    Er hatte nicht zugelassen, dass sie ihn verließ – und bei der Erinnerung daran, wie skrupellos er sie daran gehindert hatte, schüttelte er jetzt den Kopf. Seit jener Zeit schien sie Angst vor ihm zu haben. Als Ally noch in den Ferien nach Hause gekommen war, konnten sie wenigstens den Schein einer heilen Familie wahren, aber diesen Sommer war Ally auf irgendeine studentische Exkursion gegangen, es hatte irgendwie um Landminen, künstliche Gliedmaßen und die Rettung der Welt … Er dachte daran, wie er Theresa geschlagen hatte: zweimal, dreimal? Das darf nicht

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