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Tiefe Wunden

Titel: Tiefe Wunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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Flaschen, die Schuhe und den Rucksack. Die Beamten von der Spurensicherung begannen, alles einzutüten, was irgendwie von Interesse sein konnte. Pia bat einen Kollegen, die Leiche auf die Seite zu drehen. Das erwies sich aufgrund der bereits eingetretenen Leichenstarre als etwas schwierig, gelang aber schließlich. Pia hockte sich neben die Leiche und begutachtete Rücken, Hinterteil und Handflächen des Toten. Alles voller Staub. Das konnte nur bedeuten, dass jemand saubergemacht hatte, nachdem Watkowiak abgelegt worden war. Und das wiederum bedeutete, dass sie möglicherweisekeinen erfolgreichen Suizid vor sich hatte, sondern einen nicht minder erfolgreichen Mord. Sie verschwieg Dr. Engel ihre Vermutung und untersuchte stattdessen den Inhalt des Rucksacks, der Nierhoffs Theorie von Watkowiak als Mörder zu bestätigen schien: ein Messer mit einer gebogenen Klinge und eine Pistole. Waren das die Waffen, mit denen Monika Krämer und die drei alten Leute getötet worden waren? Pia kramte weiter und fand eine Goldkette mit einem altmodischen Medaillon, eine Sammlung von Silbermünzen und einen massiven Goldarmreif. Diese Wertsachen konnten aus dem Besitz von Anita Frings stammen.
    »Dreitausendvierhundertsechzig Euro«, verkündete Dr. Engel, die das Geld gezählt hatte, und ließ sich von einem Beamten einen Plastikbeutel geben, in den sie das Geld steckte. »Was ist das?«
    »Sieht aus wie das Messer, mit dem Monika Krämer getötet wurde«, erwiderte Pia düster. »Und das hier könnte die Waffe sein, mit der drei Menschen erschossen wurden. Es ist eine 08.«
    »Dann dürfte der Mann der gesuchte Mörder sein.«
    »Es soll zumindest so aussehen.« Pia verzog nachdenklich das Gesicht.
    »Sie zweifeln daran?«, fragte die Kriminalrätin. Sie hatte ihr leutseliges Lächeln abgelegt und wirkte aufmerksam und konzentriert. »Wieso?«
    »Weil es mir zu einfach vorkommt«, erwiderte Pia. »Und weil hier irgendetwas nicht stimmt.«
     
    Pia überlegte kurz, ob sie ihren Chef bei der Familienfeier stören sollte, entschied sich dann aber für einen Anruf. Sie fühlte sich nicht in der Lage für höflichen Smalltalk. Bodensteins Sohn ging ans Telefon und reichte Pia weiter. In knappen Worten berichtete sie von ihrem Besuch bei Elard Kaltensee,vom Leichenfund und ihren Zweifeln an einem Selbstmord Watkowiaks.
    »Von wo aus rufen Sie an?«, erkundigte er sich. Pia fürchtete schon, er wolle sie einladen, zum Abendessen vorbeizukommen.
    »Vom Auto aus«, sagte sie. Im Hintergrund ertönte schallendes Gelächter, das sich entfernte, dann hörte Pia eine Tür klappen, und es wurde ruhiger.
    »Ich habe ein paar interessante Dinge von meiner Schwiegermutter erfahren«, erzählte Bodenstein. »Sie kennt Vera Kaltensee seit Jahren, sie verkehren ja in denselben gesellschaftlichen Kreisen. Und sie war auch auf Veras Geburtstagsfeier am vergangenen Samstag, obwohl sie keine Busenfreundinnen sind. Aber der Name meiner Schwiegermutter macht eben auf jeder Gästeliste was her.«
    Cosima von Bodensteins Blut war noch ein wenig blauer als das ihres Gatten, das wusste Pia. Ihre Großeltern väterlicherseits hatten den letzten Kaiser noch persönlich gekannt, der Vater ihrer Mutter war ein italienischer Fürst gewesen, der Anspruch auf den Thron gehabt hätte.
    »Meine Schwiegermutter hat sich ziemlich kritisch über Veras verstorbenen Mann geäußert«, fuhr Bodenstein fort. »Eugen Kaltensee hatte es im Dritten Reich zu einem Vermögen gebracht, weil seine Firma die Wehrmacht belieferte. Später wurde er von den Alliierten als Mitläufer eingestuft und war nach 1945 schnell wieder gut im Geschäft. Sein Geld hatte er während des Krieges in die Schweiz transferiert, wie es auch Veras Familie getan hatte. Als er Anfang der 80er Jahre starb, wurde übrigens Elard Kaltensee verdächtigt, seinen Stiefvater getötet zu haben. Die Ermittlungen verliefen im Sande, später wurde auf Unfall erkannt.«
    Pia fröstelte unwillkürlich, als sie den Namen Elard Kaltensee hörte.
    »Sohn Siegbert musste nach einem familieninternen Eklat 1964 in die USA, wo er studierte. Er kehrte erst 1973 mit Frau und Kindern zurück. Er ist alleiniger Geschäftsführer der KMF. Und Jutta Kaltensee hatte angeblich während ihres Studiums ein lesbisches Verhältnis, das sie ausgerechnet mit einem Angestellten ihrer Mutter beendete.«
    »Haben Sie auch etwas anderes als Familientratsch erfahren?«, fragte Pia mit leichter Ungeduld. »Ich muss noch den Staatsanwalt wegen der

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