Tiefer gelegt
Wir waren wieder bei seinem Strandhandtuch angekommen, wo Todd stehen blieb, um seine Beine in der Luft zu
trocknen, bevor er neues Sonnenöl auftrug.
»Ist Salzar so ein Fleischbrocken mit silbergrauer Mähne?
Sieht aus wie ein Profikiller?«, fragte ich ihn.
»Genau. Das ist Salzar. Ich kann es nicht ausstehen, wenn er
an Bord ist. Dann wird immer das ganze Schiff abgeriegelt.«
»Abgeriegelt?«
»Dann ist das Hauptdeck für jeden gesperrt außer für Salzars persönliche Crew. Er hat einen eigenen Steward, zwei
Leibwächter und zwei Hubschrauberpiloten. Der Kapitän und
der Zahlmeister gehören zu Calflex und haben ebenfalls Zugang. Manchmal bringt Salzar auch jemanden aus seiner Familie mit. Und wenn ich Familie sage, meine ich nicht unbedingt
seine Verwandten. Es ist wie auf einem Ausflug mit Al Capone. Waffen ohne Ende. Unterhaltungen, die schlagartig verstummen, wenn jemand den Raum betritt, der nicht zur Familie gehört. Es ist schon ziemlich gespenstisch.«
»Salzar ist ein kubanischer Geschäftsmann«, erklärte Judey
Hooker und mir. »Der überall seine Finger im Spiel hat. Er
lebt in Miami, aber es wird gemunkelt, dass er mucho befreundet mit Fidel ist.«
»Ja«, bestätigte Todd. »Wir fliegen Salzar regelmäßig zum
Pokern nach Kuba.«
Alle Blicke waren auf Todd gerichtet.
»Also nicht unbedingt zum Pokern«, schränkte Todd ein.
»So nennen wir es unter uns. Wenn Salzar mit uns fährt, gehen
wir meist am Shell Island Resort auf den Bahamas vor Anker.
Von dort aus startet der Helikopter im Dunkel der Nacht mit
unbekanntem Ziel und kommt erst im frühen Morgengrauen
zurück.«
»Du glaubst, er bringt Salzar nach Kuba? Ist das nicht illegal?«, fragte ich.
Todd zuckte mit den Achseln. »Inzwischen reisen viele Leute nach Kuba. Natürlich keine Amerikaner, aber alle anderen.«
»Ich dachte, die Küstenwache würde alle Flugbewegungen
überwachen?«
»Sie konzentrieren sich auf Drogenflugzeuge oder Bootsflüchtlinge. Außerdem kann ich mir gut vorstellen, dass ein
Helikopter das Radar unterfliegen kann. Aber all das ist sowieso reine Spekulation. Wie gesagt, das zweite Deck ist immer
gesperrt, wenn Salzar an Bord ist. Einfache Crewmitglieder
wie ich haben keinen Zugriff auf Flugpläne. Im Gegenteil,
manchmal wissen wir nicht mal genau, wo wir sind. Wenn du
auf diesem Schiff deinen Job behalten willst, musst du viel
lächeln, darfst keine Fragen stellen und steckst keinesfalls
deine Nase in Sachen, die dich nichts angehen.«
»Das hört sich gar nicht nach Bill an«, sagte ich.
Todd grinste. »Nein. Bill hat da nicht reingepasst. Bill ist
wie Brian. Wedelt aufgeregt mit dem Schwanz, wühlt sich
überall rein und wirbelt dabei ordentlich Staub auf.«
»War Salzar auf der letzten Fahrt dabei?«
»Salzar ist in letzter Zeit nicht mit uns gefahren. Vielleicht
seit zwei, drei Wochen nicht mehr. Ich würde sagen, durchschnittlich ist er einmal im Monat an Bord. Manchmal ist seine
Crew auch ohne ihn unterwegs. Manchmal wird das zweite
Deck nur für seine Leute abgeriegelt.« Todd wandte sich an
Hooker. »Sie haben einen Liegeplatz in der Nähe der Flex,
stimmt’s? Ihre Yacht heißt Happy Hooker, oder?«
»Ja, und mein Schiff ist mit Wild Bill verschwunden.«
»Ein ziemlich großes Schiff. Bill könnte nur unter Schwierigkeiten allein damit in See stechen oder irgendwo anlegen.«
»Wir glauben, dass ein Mädchen mit an Bord war«, sagte
Hooker. »Haben Sie eine Ahnung, wer das sein könnte?«
»Wahrscheinlich könnte ich die Kandidatinnen auf zwei-
bis dreihundert eingrenzen.«
»Niemand Besonderes?«, fragte ich.
»Sie waren alle was Besonderes«, sagte Todd. »Als ich das
letzte Mal mit Bill sprach, war er gerade auf dem Weg in einen
Club. Wahrscheinlich hat er dort ein Mädchen aufgerissen.«
»Eines, das sich auf einem Boot auskennt«, sagte Hooker.
»Eines, das nichts gegen einen Quickie einzuwenden hat«,
sagte Judey. »Wenn die beiden um eins aus dem Club verschwunden sind und eine Stunde später ein Boot geklaut haben, hatten sie kaum Zeit für ein Vorspiel.«
»Vielleicht ist Bill mit der Frau von einem anderen Mann
durchgebrannt, der ihm jetzt auf den Fersen ist«, schlug Todd
vor.
Eine durchaus logische Annahme, wobei mich allerdings
die Bootsgeschichte störte. »Das mit dem gestohlenen Boot
will mir nicht recht in den Kopf«, sagte ich. »Bill flieht vor
jemandem. Sagen wir dem wütenden Ehemann. Warum sollte
er dann ein Boot nehmen? Wenn er schnell abhauen wollte,
hätte er besser ein Auto
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