Tiefer gelegt
Ödnis nur gelegentlich von einer Werbetafel aufgelockert wird, auf der indianisch geführte Ausflüge auf dem
Luftkissenboot angepriesen werden. Größtenteils handelt es
sich um eine zweispurige Landstraße, die von Menschen ohne
Zeitdruck befahren wird. Hooker fiel eindeutig nicht in die
Kategorie ohne Zeitdruck. Er fuhr nur selten unter 140 Stundenkilometern und überholte dabei rücksichtslos und riskant,
als wäre das hier für ihn ein ganz normaler Arbeitstag. Wenn
nicht ausgerechnet Hooker am Steuer gesessen hätte, hätte ich
meine Füße gegen das Armaturenbrett gestemmt und mich bei
der erstbesten Gelegenheit aus dem Auto gestürzt.
»Was ist das für eine Werbegeschichte in Homestead?«,
fragte ich ihn.
»Irgend so ein Sponsorenschmu zum Saisonauftakt. Eigentlich hätte ich dabei sein sollen, aber ich habe mich geweigert.
Die Saison ist lang und schwer genug, und ich drücke mich
normalerweise nicht vor meinen Verpflichtungen gegenüber
meinem Sponsor, aber vor Saisonbeginn habe ich frei, und so
soll es auch bleiben. Ich habe stattdessen einen Wagen hinschicken lassen. Wir haben für genau solche Zwecke einen
Transporter mit ein paar Rennwagen. Sie sehen aus wie meiner, aber es dürfen auch Fans darin fahren. Genauer gesagt
sind es meine ausgemusterten Wagen, sie sind also durchaus
authentisch.«
Als wir uns Naples näherten, bremste Hooker auf die erlaubte Höchstgeschwindigkeit ab, weil der Sumpf unvermittelt
durch Zivilisation ersetzt wurde. Kinos, Gewerbegebiete,
Golfplätze mit Wohnanlagen, noble Möbelgeschäfte und Autoniederlassungen säumten nun den Trail. Ich hatte mich telefonisch kundig gemacht und die Adresse des Krankenhauses
erfragt. Auf der Station hatte man mir die Auskunft gegeben,
dass Bill in seinem Zimmer liege, aber unter Beruhigungsmitteln stehe und deshalb nicht mit mir telefonieren könne.
Bis wir beim Krankenhaus angekommen waren, war Bill
halbwegs aufgewacht. Er hing an einer Infusionsflasche und
an einem Atemmonitor. Von einer Schwester hatte ich erfahren, dass keine lebenswichtigen Organe verletzt worden waren, dass er aber viel Blut verloren hatte.
»Ich weiß, dass meine Augen offen sind«, sagte Bill lallend
und leise. »Aber irgendwie fühle ich mich trotzdem nicht richtig wach.«
»Du kannst ruhig liegen bleiben«, erklärte ich ihm. »Ruh
dich aus. Wir sind noch da, wenn du aufwachst.«
Als Bill die Augen wieder aufschlug, war es schon früher
Abend. »Hi«, sagte er. Seine Stimme klang kräftiger, und seine Pupillen waren nicht mehr zu schwarzen Untertassen geweitet. »Woher weißt du, dass ich hier bin?«
»Das ist eine lange Geschichte«, antwortete ich. »Die heben
wir uns für ein anderes Mal auf.«
»Ja, und sie ist zu gut, als dass wir sie dir erzählen wollen,
solange du so zugedröhnt bist«, ergänzte Hooker.
Ich stand am Bett und spürte, wie sich Hookers Hand sanft
auf meinen Nacken legte. Wahrscheinlich hatte er Angst, ich
könnte in Ohnmacht fallen. Ich war ziemlich sicher, dass seine
Angst unbegründet war, aber es war trotzdem angenehm, eine
Stütze zu haben.
»Sie haben uns gefunden«, erzählte Bill. »Keine Ahnung
wie. Wahrscheinlich mit dem Hubschrauber. Er ist ein paar
Mal über uns weggeflogen, als wir im Golf waren. Ich dachte,
sie hätten nicht mitbekommen, wie ich in den Gordon Pass
einlaufe, aber verflucht …«
Er war wieder kalkweiß geworden, und sein Atem ging
schnell und flach.
»Alles okay?«, fragte ich. »Hast du Schmerzen?«
»Schmerzen, gegen die kein Mittel hilft, Barney. Sie haben
Maria, stimmt’s? Wir waren in dem Haus, das ich gemietet
habe, im Bett und haben geschlafen, als sie reinkamen«,
keuchte Bill. »Zwei Kubaner. Sie haben Maria mitgenommen.
Sie hat geschrien und sich gewehrt, und ich wollte ihr helfen,
da haben sie auf mich geschossen. Was danach passiert ist,
weiß ich nicht.«
»Draußen steht ein Polizist, der mit dir reden will. Er hat
gesagt, du hättest in der Einfahrt gelegen.«
»Ich muss mich wohl rausgeschleppt haben.«
Was nur gut war. Der Polizist auf dem Gang hatte uns erzählt, dass Bill von einem Autofahrer entdeckt worden war,
der ihn in der Einfahrt liegen gesehen hatte. Wenn Bill im
Haus geblieben wäre, hätte ihn niemand gefunden. Wahrscheinlich wäre er dort verblutet.
»Ich werde ihm von den Kubanern und von Maria erzählen,
aber nicht von dem Gold«, flüsterte Bill. »Ihr müsst zu dem
Haus fahren und nachschauen, ob das Gold noch da ist. Ich
habe
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