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Tiefer Schmerz

Tiefer Schmerz

Titel: Tiefer Schmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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was.
    Er war unterwegs, das war alles.

5
    Weil es Sara Svenhagen schwer fiel zu verstehen, warum sie sich in einem zivilen Polizeiauto auf dem Weg von Kungsholmen zu einem Motel in den südlichen Vororten von Stockholm befand, träumte sie sich zum frühen Morgen zurück. Ihre Gedanken bewegten sich hinein in einen eleganten Hauseingang in Birkastan, die echte Jugendstil-Treppe hinauf und durch die Tür, an der der einzige ausländische Name des Viertels prangte, durch die schicke, doch gerade im Moment ziemlich unaufgeräumte Küche der kleinen Dreizimmerwohnung, schließlich in das eheliche Bett, das heftig schwankte, und gerade in dem Augenblick, als sich das erste Stück der olivenfarbenen Haut des feurigen südländischen Liebhabers zeigte, wurde der Kameraschwenk ihrer Gedanken von einem extrem aggressiven Hupen unterbrochen, das ihr Gesichtsfeld wieder zu dem des Beifahrersitzes in einem zivilen Polizeiauto verwandelte, das von Kungsholmen zu einem Motel irgendwo in den südlichen Vororten Stockholms unterwegs ist.
    So kann es gehen.
    Kerstin Holm produzierte eine selten grobe Sammlung von Schimpfwörtern, wandte sich um und sagte: »Aber Entschuldigung.«
    Sara Svenhagen verzog das Gesicht und schaffte es, sich auf die ältere Kollegin hinterm Steuer zu konzentrieren.
    »Ich weiß nicht, was ich entschuldigen soll«, sagte sie aufrichtig.
    Kerstin Holm betrachtete sie und mußte insgeheim lächeln. »Laß mich raten, wo du gerade warst«, sagte sie und zeigte einem verblüfften alten Herrn mit karierter Schirmmütze in einem silbernen VW Jetta den Finger.
    »Was hat er gemacht?« fragte Sara Svenhagen, noch immer ziemlich abwesend.
    »Er hat bewiesen, daß Führerscheine ein Verfallsdatum haben. Versuch jetzt nicht, das Thema zu wechseln. Ich glaube, du warst im Schlafzimmer einer neugekauften Dreizimmerwohnung in Birkastan. Korrekt?«
    Sara lächelte schwach und fühlte sich ertappt.
    Kerstin nickte selbstzufrieden, hantierte an einer schwergängigen Schnupftabakdose herum und schaffte es schließlich, sich eine Prise unter die Oberlippe zu schieben. »Und du hast nicht auf die Frage geantwortet, was sie gekostet hat.«
    »Sie war ziemlich heruntergekommen.«
    »Genau. Die Variante ist neu. Hübsch. Zuvor habe ich gehört: ›Wir haben gegen zwei Mietrechte getauscht‹, ›der Quadratmeterpreis war unerwartet niedrig‹, und außerdem das kryptische ›die Immobilienkredite sind gerade günstig‹. Ich will eine Zahl hören.«
    » Zwei Komma zwei.«
    »Danke«, sagte Kerstin und gab dankbar Gas.
    »Zwei Mietrechte eingeschlossen. Davon eins in Rågsved.«
    »Das klingt ziemlich billig.«
    »Es ist ein guter Preis. Der Quadratmeterpreis war unerwartet niedrig. Und sie war ziemlich heruntergekommen.«
    »Was hast du für die Zweizimmerwohnung in der Surbrunnsgata bekommen?«
    »Ich habe nicht schwarz verkauft. Es war ein Tausch. Mietrecht gegen Wohnrecht.«
    »Niemand außer dir selbst hat behauptet, du hättest schwarz verkauft.« Es kam von Herzen.
    »Dreihunderttausend. Und Jorges bescheuertes Rågs ved-Appartment haben sie, glaube ich, mehr als Strafe aufgefaßt. Ein Kreuz, das sie auf sich nehmen mußten.«
    »Also waren es insgesamt über zweieinhalb Millionen?«
    »Fast. Wir wollten übrigens am nächsten Wochenende eine Einzugsfete machen. Was hältst du davon?«
    »Ja, gerne.«
    »Mit Anhang.«
    Kerstin Holm gab eine Spur weniger dankbar Gas.
    »Hoppla, was für eine subtile Wendung«, sagte sie spitz.
    »Was für eine flexible Verhörtechnik.«
    »Erzähl schon«, sagte Sara Svenhagen und wandte sich ihr zu. Sie konnte sich nicht richtig von dem Eindruck freimachen, daß Kerstin Holm der stolzeste Mensch war, den sie kannte. Selbst das Profil, das dunkle, elegant zerzauste Haar, die scharf konturierten Falten, alles atmete eine Art von erhabenem Stolz, den sie, ja, den sie bewunderte. Es war jetzt fast ein Jahr her, seit Sara Svenhagen zur A-Gruppe gestoßen war, und sie hatten mehrmals zusammengearbeitet, doch sie fühlte sich nie wirklich ebenbürtig. Kerstin Holm war in ihren Augen die beste Verhörleiterin des Polizeikorps, und sie konnte viel von ihr lernen. Aber manchmal war es anstrengend, wenn Kerstin einen direkt durchschaute. Nach einem Gespräch mit Kerstin blieb einem sozusagen kein Geheimnis mehr. Immer kam alles heraus. Und mit Kerstin selbst verhielt es sich genau umgekehrt: Die ganze Person war ein einziges großes Geheimnis. Deshalb empfand Sara eine gewisse Genugtuung dabei, das

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