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Tiefer

Titel: Tiefer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Andresky
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Möse auf, und ich ruf an.» Ich grinste. Meine Möse hat kein Telefon, und sprechen kann sie auch nicht, aber
     so wörtlich hatte der Gute das sicher nicht gemeint. Eine Zeile drunter ging es weiter: «Lass dich anvögeln! Durchlecken!
     Wegbumsen!» Mann, der hat eine Vorliebe für ausgefallene Vorsilben. Ich stellte mich in Positur und fotografierte die Wand.
     Vielleicht würde das ein schönes Cover für mein Buch werden. Ich machte auch einige Aufnahmen, in denen man mich selbst im
     Spiegel sah, während ich die Wand ablichtete, und weil die Lounge noch sehr leer gewesen war, knöpfte ich meine Bluse auf,
     hob eine Brust aus dem B H-Körbchen und wiederholte die Aufnahmen mit entblößter Brust. Ich fühlte mich prima. Der Arbeitstrip fing gut an, und ich freute mich
     auf die Sonne und Pina Coladas am Strand.
    |113| Im Flugzeug, ich hatte es ja geahnt, saß ich in einer Reihe mit einer jungen Familie. Zwei kleine Kinder turnten über die
     Sitze, und die Eltern keiften abwechselnd «lass datt, Schantall» (mit Betonung auf «Schan») oder «isch knall dir jleisch eine,
     Schajenn» (wieder mit Betonung auf der ersten Silbe), Chantal und Chayenne, die armen Kleinen, mit Nachnamen heißen sie wahrscheinlich
     Dorstenbüttel oder Schmitt. Da kann man drauf wetten: Je asiger die Eltern, je kösiger die Pullis ihrer Kaulquappen, je verklebter
     das Gestrüpp auf ihren Zwergenköpfen, desto origineller die Vornamen, und desto falscher sprechen die eigenen Eltern die dann
     aus, es ist eine Plage.
    Ich versuchte, die vier zu ignorieren, und nahm mir die Unterlagen meiner Chefin vor, die im Büro kaum Zeit gehabt hatte,
     mir den Job zu erklären. Ich sollte also eine Fotostory schießen über einen neuen Club in der Dominikanischen Republik. Das
     war ungewöhnlich. Immerhin war das Blatt, für das ich da unterwegs war, keine Reiseillustrierte, sondern hatte andere, eher
     tiefer gelegte Schwerpunkte. «Körperflüssigkeiten» war bei Redaktionskonferenzen immer das Stichwort gewesen. «Denkt an die
     Körperflüssigkeiten, das Blatt muss triefen vor Schweiß und Muschisaft, wenn es fertig ist.» Und das aus dem Mund einer promovierten
     Kunsthistorikerin, die meine Chefin immerhin war. Soweit ich das sehen konnte, hatte der Fünf-Sterne-Club, wo ich zehn Tage
     verbringen würde, ein ganz besonderes Konzept. «All inclusive», so las ich, «bezieht sich bei uns |114| nicht nur auf Essen und Trinken, Sport und Spiel, sondern wir sorgen mit unserem internationalen Personal für absolut alle
     leiblichen Genüsse.» Aha, das klang viel versprechend, und ich lehnte mich zurück und lächelte. Der Club hatte seine fünf
     Sterne wirklich verdient. Jeden einzelnen davon. Die Zimmer waren mit riesigen Betten und marmornen Badezimmern bestückt.
     An der Wand befand sich eine ganze Knopfleiste für unterschiedliche Dienstleistungen, «Küche», las ich da, «Massage», «Boy»,
     «Reinigung», «Service». Was mit Letzterem gemeint war, hätte ich mir denken können, aber ich war ja gerade erst angekommen
     und wusste noch nicht so ganz, wie ich mir das hier vorstellen sollte. Ich zog mir einen Bikini und einen Pareo an, schürte
     mir das Club-Armband ums Handgelenk, schulterte meine Fototasche und ging zur Strandbar.
    Es war so heiß, dass ich ganz vorsichtig atmete. Die Luft flimmerte, und die Sonne wurde vom Meer so reflektiert, dass es
     zu sehr blendete, um lange hinzusehen. Zunächst wirkte alles wie die Clubs, in denen ich bisher Urlaub gemacht hatte, nur
     schicker natürlich. In grüngoldene Kacheln eingelassen lag ein riesiger Pool mit kleinen Wasserfontänen auf einer Anhöhe,
     sodass man beim Schwimmen den weißen Sandstrand und das Meer sehen konnte. Unter Palmen stand eine Bar in Form einer riesigen
     Kokosnuss, an der zwei dickbäuchige kalkweiße Michelinmännchen mit Ruhrpottakzent zwei hübsche Mäuse anbaggerten. Kann mir
     das mal einer erklären? Wieso sich so hässliche Männer immer |115| an die schönsten Frauen rantrauen und ungeniert drauflosbaggern. Eine Frau würde das nie machen. Die sucht sich instinktiv
     einen Mann in der eigenen Attraktivitätsklasse. Aber Männer glauben, zwei haarige Schrumpfköpfchen und ein gestauchter Aal-Torso
     zwischen den Beinen bewiesen ihre göttliche Abstammung. Als würde die Wichtigkeit einer Person mit der Anzahl ihrer Schweißdrüsen
     und Brusthaare steigen, ehrlich.
    Ich knotete den Pareo auf und legte mich im Bikini auf die einzige noch freie Liege

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