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Tiefer

Titel: Tiefer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Andresky
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Grunde war es immer noch so, als ich in diesem Motel auf einem geschmacklos bezogenen quietschenden
     Bett lag, ich wusste es einfach nicht. Es war so still im Zimmer und in mir, ich erinnerte mich daran, wie mein Sohn aussah
     und wie mein Mann, aber ich hörte sie beide nicht sprechen. Ich war davon überzeugt, dass auch ich nicht mehr sprechen würde,
     wenn ich dieses Motelzimmer überhaupt jemals wieder verließ. Und dann fühlte ich dieses Ziehen tief im Inneren, das aus dem
     Bauch kam, die Oberschenkel |109| hinunterstrahlte und sich an der Wirbelsäule hochschraubte, bis es mir den Atem nahm, und ich begann nach Luft zu schnappen,
     und dieses Ziehen fühlte sich so lebendig an und so ganz anders als dieses kalte Licht, so körperlich, dass ich fühlte, wie
     ich meinen Körper Stück für Stück wieder spürte, erst den Bauch und den Rücken, den Hals, die Brüste, selbst Stellen an meinem
     Körper, auf die ich vorher nie geachtet hatte wie den Nacken und die Waden, spürte ich jetzt, als seien kleine schwimmende
     Inseln in meinem Körper, die sich zu einem großen, atmenden, durchbluteten, fleischlichen Festland verbanden. Ich hörte mich
     stöhnen. Meine Stimme presste sich durch den Hals, würgte sich hoch wie Brechreiz, und ich konnte nicht anders, als sie über
     die Lippen zu lassen. Es war keine Anstrengung dabei, gemeinsam zu kommen. Ich achtete nicht auf ihn und er nicht auf mich,
     sondern das, was zwischen uns passierte, passierte einfach. Ich wusste nichts zu sagen anschließend. Er zog sich an, nahm
     sein Pappschild, band die Haare zu einem Pferdeschwanz und verließ ohne ein Wort, ohne einen Blick das Zimmer. Er ging, wie
     man das Licht ausknipst, von einem Moment auf den anderen.
    Ich lag da, bis es Nachmittag war. Dann rief ich auf der Arbeit an, entschuldigte mich und fuhr zurück. Die Allee lag da wie
     immer. Acker nach Acker bis zur Baumschule, rutschig in den Kurven, und das ständige Knirschen und Knacken der Äste und Kastanien
     unter den Reifen. Im Rückspiegel traf mich ein gleißender Lichtschein |110| in die Augen und bohrte einen pupillengroßen Tunnel, der tief bis in die Brust ging und so wehtat, dass ich ihn mit Tränenflüssigkeit
     überflutete. Ich drehte den Rückspiegel etwas zur Seite, sodass ich nicht mehr geblendet wurde. Vor meinen Augen tanzten violette
     und orange Punkte. Der Weg nach Hause war kaum zu erkennen. «Wintersonne», dachte ich, «ganz schön gefährlich.»

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    |111| All inclusive
    «Das wird eine heiße Zeit, Heike», hatte meine Chefredakteurin gesagt und mir die Schulter getätschelt. Und das wurde es,
     wenn auch auf ganz andere Art, als ich gedacht hatte. Ich hatte früher einmal eine Weile als Fotografin für sie gearbeitet,
     mich dann aber selbständig gemacht, weil ich einen Fotoband mit erotischen Bildern plante und dafür Zeit brauchte. Die Vertretung,
     die sie mir anbot, weil meine Nachfolgerin schwanger geworden war, kam mir in doppelter Hinsicht recht: Einmal wurde das Geld
     langsam knapp, und dann ging mir auch zunehmend die Inspiration flöten. Die Bilder, die ich bis dahin hatte, beschränkten
     sich auf Selbstporträts, Aufnahmen von den Brüsten meiner Nachbarin, die in schaumigem Badewasser schwammen, und dem nackten
     Waschbrettbauch eines Bekannten, dem ich ein ausgestopftes Ziesel auf die Brust gesetzt hatte, das fand ich witzig, auch wenn
     zu dem Bekannten besser ein Stinktier gepasst hätte, ein lebendes am besten, denn er hielt Fotografinnen für Freiwild, und
     ich hatte ihn nur mühsam aus dem Atelier bugsieren können. Reisen war also genau das Richtige für mich. Seit der Trennung
     von meinem Freund vor zwei Jahren war ich aus meiner Wohnung kaum mehr herausgekommen, |112| jetzt war es Zeit für neue Ufer, neue Jagdgründe, neue Trophäen. Dass die Trophäe, die ich zehn Tage später in meinem Atelier
     an die Wand nageln würde, grün und schuppig war   … aber dazu später mehr.
    Ich reise gerne. Aber ich hasse Fliegen. Dabei fing alles so schön an: Ich hatte noch etwas Zeit und beschloss, in der Lounge
     auf Toilette zu gehen, Frauen müssen ja ständig und überall aufs Klo, da mache ich keine Ausnahme, ich sehe ein W C-Zeichen und muss, das ist genetisch oder anerzogen, keine Ahnung. Und an der Kachelwand des Waschraums hatte sich offensichtlich
     ein hormonübersteuerter Notgeiler mit Triebstau vergangen. «Willst du so richtig befickt werden?», stand da. «Schreib mir
     die Nummer deiner

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