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Tiefflug: Der vierte Fall für Kommissar Jung (German Edition)

Tiefflug: Der vierte Fall für Kommissar Jung (German Edition)

Titel: Tiefflug: Der vierte Fall für Kommissar Jung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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deinem Keller, Tiny, die überhaupt nichts da verloren haben, fragte sich Jung aufgerüttelt.
    »Morgen Abend machen die Briten in Albufeira ihre Season-opening-Party«, schwadronierte Tiny weiter. »Ich bin eingeladen. Bist du mit dabei?«
    Jung fiel es schwer, sich auf Tiny zu konzentrieren. »Wenn du mich dabeihaben willst und ich dir nicht auf den Keks gehe, warum nicht?«
    »Du gehst mir nicht auf den Keks. Du bist etwas komisch. Aber das macht nichts. Wir fahren so gegen 21 Uhr. Passt dir das?«
    »Okay. Danke für die Einladung. Ich freue mich.« Jung hob, in Gedanken versunken, sein Glas und prostete Tiny noch einmal zu.
    »Ich glaube, wir machen jetzt doch Schluss«, sagte Tiny und schlug eine Mücke auf seinem Hals tot. »Früher haben sie im Frühjahr die Küste noch mit DDT mückenfrei gespritzt. Heute sind die Biester schlimmer als je zuvor.«
    »Wird Zeit, ins Bett zu kommen«, stimmte Jung zu.
    Tiny kam etwas mühsam auf die Beine.
    »Vergiss die Flasche nicht.«
    Jung erhob sich ebenfalls und machte vor Tiny eine affektierttiefe Verbeugung.
    »Danke für den Wein, Sir Tiny.«
    »Was soll das? Willst du mich verarschen?«
    »Nicht so bescheiden, Tiny.« Jung lachte ihm offen ins Gesicht. »Ich wusste bis jetzt gar nicht, dass du Kontakte zur britischen Königsfamilie pflegst.«
    Tiny lachte nicht mit. Seine Züge entgleisten und hinterließen einen dümmlichen Ausdruck auf seinem Gesicht.
    »Solchen Wein bekommt man sonst nur an einem Königshof kredenzt«, beeilte sich Jung zu erklären. Tinys Humorlosigkeit irritierte ihn. Als Tiny weiter in seiner Begriffsstutzigkeit verharrte, verabschiedete sich Jung förmlich.
    »Gute Nacht. Até amanhã.«
    »Até amanhã«, murmelte Tiny.
     
    *
     
    Als Jung endlich im Bett lag, konnte er nicht einschlafen. Tiny hatte ihn überrascht, zum Schluss sogar beunruhigt. Jung hatte schon das sichere Gefühl gehabt, auf dem besten Wege zu einem erträglichen, auch für Svenja erträglichen, Modus Vivendi zu sein. Aber Tinys Verhalten hatte ihn misstrauisch gemacht. Jung witterte Unheil. Irgendwas lag in der Luft. Er kannte das Gefühl von den Begegnungen mit Übeltätern, die er zu überführen gehabt hatte. Seine Erfahrungen hatten ihn gelehrt, dass sie in aller Regel keine Übelwollenden gewesen waren. Kam er ihnen mit scheinbar unerschütterlicher Freundlichkeit auf die Schliche, dann traf er irgendwann, wenn auch oft sehr spät, auf Entgegenkommen, ja, sogar Hilfsbereitschaft. Er hatte darüber nachgedacht, ob es, anstatt sie dem Richter zuzuführen, für alle Beteiligten nicht viel besser gewesen wäre, ihr strafwürdiges Tun nur offenzulegen, allerdings radikal und in allen Aspekten. Er hätte sich zugetraut, danach mit ihnen ein erträgliches Miteinander einrichten zu können. Er war sich bewusst, wie anmaßend, wie abwegig und naiv dieser Gedanke war. Aber mit geborenen, sozusagen genetisch bestimmten Bösewichtern und Schwerstkriminellen war er bisher nicht in Berührung gekommen. Dennoch glaubte er zu wissen, dass es sie gab. Irgendwo da draußen in einer Welt, in der er mehrheitlich Halunken und Killer vermutete. Deren Lebenselixier schien in erster Linie aus Lüge, Mord, Betrug, Erpressung und Diebstahl zu bestehen. Wo würde man sie finden können? Vielleicht im Mafialand Italien, im Vorderen Orient oder in Fernost mit ihren Schattengesellschaften, die sich aus Krieg, Menschenhandel, Spielsucht und den Geschäften mit Drogen und Prostitution finanzierten. Niemals wollte er dort leben müssen. Er konnte sich ein Leben, wenn man das überhaupt so nennen wollte, unter den Bedingungen, die seine Fantasie ihm suggerierten, einfach nicht vorstellen. Früher oder später würde er daran zugrundegehen. Und die, die ein Leben dort vorzogen, waren in seinen Augen keine Menschen, sondern Außerirdische, die von einem anderen Stern geschickt worden waren, die Menschheit zu vernichten. Er hatte mit Besorgnis registriert, wie sich in Deutschland über die Jahre die kriminellen Strukturen ausgebreitet hatten. Seine Antennen waren geschärft worden, sein Misstrauen größer geworden als noch zu Beginn seines Berufslebens. Er roch Unrat, wusste aber nicht, welcher Müll hier so stank.
    Um seiner Grübelei zu entfliehen, nahm er seine Ferienlektüre zur Hand und las sich laut daraus vor. Er legte das Buch beiseite und schloss die Augen. Bald darauf war er eingeschlafen.

Maria
     
    Jung wachte spät auf. Die Sonne stand hoch am Himmel und tauchte sein Schlafzimmer in

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