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Tiefflug: Der vierte Fall für Kommissar Jung (German Edition)

Tiefflug: Der vierte Fall für Kommissar Jung (German Edition)

Titel: Tiefflug: Der vierte Fall für Kommissar Jung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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für ungeahnte Gaumenfreuden nach. Selbst eine nur vage Andeutung Tinys hatte seine ursprüngliche Absicht schnell aufgeweicht.
    »Gut. Auf ein Glas. Aber nur eins.«
    »Wird gemacht. Komm rein.«
    Tiny schloss die Haustür auf und ließ Jung an sich vorbei in die Diele treten.
    »Du kennst dich ja aus. Lass uns auf die Terrasse gehen. Ich hole inzwischen den Wein.«
    »Wein?« Jungs Frage hing in der Luft wie eine Fermate. »Da bin ich aber gespannt, Tiny.«
    »Lass dich überraschen. Ich bin es auch. Setz dich auf die Bank. Ich mache Licht.«
    Als Jung die Terrasse betrat, sprang die Beleuchtung an. Die Leuchtmittel steckten hinter durchbrochenen Mauervorsprüngen. Die filigranen Muster des Mauerwerks erinnerten an die maurischen Entlüftungskamine auf dem Dach. Die Terrasse und das Blätterdach des Feigenbaums wurden in ein exotisches, geheimnisvolles Licht getaucht. Die Nachtluft war mild. Der Brunnen im Hof plätscherte beruhigend. Jung fühlte sich wohl und nahm auf der Bank in der Mauernische Platz.
    Tiny kam mit einer Flasche und zwei Gläsern an den Tisch. Die Gläser erinnerten Jung an eine der vielen ländlichen Hostelerias, wie sie in Südeuropa noch immer anzutreffen waren. Man konnte dort preiswert und gut essen, und der Wein aus der Region wurde gern aus diesen Glasbechern getrunken. Jung freute sich schon auf einen Vinho verde oder einen ehrlichen Vidiguera aus dem Alentejo oder einen kräftigen aus der Region Bairrada, wo der Wein noch mit den Füßen gekeltert wurde. Das würde zu den Bechern passen, dachte er amüsiert.
    Tiny entkorkte die Flasche und stellte sie Jung provozierend vor die Nase.
    »Was meinst du? Wirst du den runterkriegen?«
    Jung nahm die Flasche in die Hand und sah auf das Etikett. Das hatte er in seinen kühnsten Träumen nicht erwartet. Seine Vorliebe für edle Weine wurde ihm schlagartig bewusst. Ab und zu kaufte er sich ein Winebookazine vom Feinschmecker und stöberte darin herum. Er ergötzte sich an den Reportagen über Winzer und Châteaus . Die Berichte von Probenbesonders ausgesuchter und hochprämierter Flaschen ließen ihm das Wasser im Munde zusammenlaufen. Sein sehnlichster Wunsch war, irgendwann einmal zur Verkostung dieser Raritäten eingeladen zu werden. Oder so viel Geld zu haben, sich eine Flasche oder auch zwei oder doch lieber gleich drei davon kaufen zu können. Hier eröffnete sich ihm eine Chance. Er hatte Mühe, seine Erregung zu unterdrücken.
    »Tiny, was ist das denn?«, fragte er misstrauisch.
    »Ich hab vielleicht schon einen im Tee, aber ich glaube, das ist Rotwein.« Tiny klang unsicher. »Guck nicht so deppert. Willst du lieber einen Brandy?«
    »Wo hast du den her, Tiny?«, fragte Jung bedrohlich leise.
    »Ist das hier ein Verhör oder was? Ich denke, du bist im Urlaub.«
    Jung wollte sein berufliches Inkognito nicht schon wieder verteidigen müssen und verdonnerte sich zu Stillschweigen, obwohl es ihm schwerfiel.
    »Quatsch. Ich habe nur einen Portugiesen erwartet und keinen Franzosen. Mein Kompliment. Gib mir dein Glas.«
    Tiny reichte es ihm hin und Jung schenkte die Gläser voll. Es tat ihm in der Seele weh, und er musste sich beherrschen, um die Aktion nicht vorzeitig abzubrechen.
    »Auf dein Wohl, Tiny. Vielen Dank für den netten Abend.«
    »Auf dein Wohl, Tomi. Und auf deinen Urlaub.«
    Sie tranken. Jung liebte kräftige, aromareiche Rotweine mit Finesse. Aber noch nie zuvor hatte er einen von dieser Klasse im Glas gehabt.
    »Wie schmeckt er dir, Tiny?«, fragte Jung scheinheilig.
    »Ist mir zu sauer und zu stark. Wenn es schon Rotwein sein muss, dann Dornfelder. Und du?«
    »Mir schmeckt er ausgezeichnet. Du würdest mir eine Freude machen, wenn du mir die Flasche schenkst.«
    »Okay. Nimm sie mit. Wenn du noch mehr Lust auf Rotwein hast, sag mir Bescheid. Ich hab zwei Kisten davon.« Tiny lachte in sich hinein und rülpste.
    Jung sah ihn ungläubig an und schwieg schockiert. Er konnte seinen Ohren nicht trauen. Die Flasche, die Tiny entkorkt hatte, war ein 1er Cru Classé 1994, Château Haut-Brion. Er hatte im Feinschmecker gelesen, dass diese Weine nur über ausgesuchte Händler zu erwerben waren. Der Jahrgang 94 war nicht der beste gewesen, dennoch kostete die Flasche im Handel mindestens 200 Euro. Es gab bessere Jahrgänge, auch jüngere. Die Flaschen erzielten jetzt schon Preise zwischen 300 und 500 Euro. Er hatte auch gelesen, dass Weine dieser Kategorie bei Sotheby’s in London versteigert worden waren. Welche Schätze hast du in

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