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Tiefflug: Der vierte Fall für Kommissar Jung (German Edition)

Tiefflug: Der vierte Fall für Kommissar Jung (German Edition)

Titel: Tiefflug: Der vierte Fall für Kommissar Jung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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hatten und die Pilots ’ne Party steigen ließen, war ich froh, wenn sie Migräne hatte.« Tiny machte eine lange Pause und sie nippten gedankenverloren an ihren Gläsern.
    »So, wie ich dich einschätze, hast du einen Ausweg gefunden, nicht wahr?«, brachte Jung das Gespräch wieder in Gang.
    »Klar. Ich tat das, was ich gelernt hatte und was ich am besten konnte.«
    »Und was war das?«
    »Fliegen«, antwortete Tiny lakonisch.
    »Und sie, deine Frau, was tat sie?«
    »Sie krallte sich ihren Frauenarzt und verschwand aus meinem Leben auf Nimmerwiedersehen.« Tiny neigte seinen Kopf und sah Jung von unten aus geröteten Augen an.
    »Hat dich das überrascht? Du hättest das kommen sehen können, oder?«
    »Ich wollte gar nichts sehen, verstehst du? Ich war gerade für ein paar Wochen drüben in Kanada gewesen, und wir hatten dort eine Wahnsinnszeit mit Einsätzen in Baumwipfelhöhe über der Wildnis Labradors verbracht. Fliegen unter höchstem Stress, verstehst du?« Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. »Ich erinnere mich, als wäre es erst gestern gewesen. Auf dem Rückflug nach Europa machten wir ’nen Zwischenstopp in St. John’s auf Neufundland. Im Entertainment-Distrikt tobte der Bär. Das George Street Festival ging gerade ab. Sind nette und lustige Typen, die Neufundländer. Vor allem die frischen, knackigen Mädels. Wir hatten ein Wochenende, wie wir es lange nicht mehr gehabt hatten, schon gar nicht bei den Eskimösen in Happy Valley-Goose Bay.« Er lachte selbstvergessen und schüttelte wiederholt den Kopf. »Als ich in Leck nach ein paar abschließenden Touch-and-Gos landete, war mein Goldschatz weg.«
    »Mitsamt dem Kind, nehme ich mal an.«
    »Mit Kind, versteht sich.«
    »Und? Warst du traurig?«
    Tiny ließ sich mit seiner Antwort Zeit.
    »Darf ich ehrlich sein, Tomi?«
    »Ich bitte darum.«
    »Ich war froh und erleichtert. Weißt du, was es bedeutet, tagsüber einen Überschalljet zu fliegen und abends eine blöde Kuh und ein absolutes AK, also Arschlochkind, ertragen zu müssen? Hast du Kinder, Tomi?«
    »Ja, zwei. Ich mag sie. Ich würde sie vermissen, wenn es sie nicht gäbe.«
    »Dann hast du Glück. Herzlichen Glückwunsch. Ich hasse Kinder seit damals.« Tiny stierte in sein Glas und schwenkte es gedankenverloren in der Hand.
    »Das sind starke Worte, Tiny, ziemlich hart.«
    »Hart? Ich kann nichts dafür. Es ist die Wahrheit.« Er trank sein Glas leer und knallte es auf den Tresen.
    Tiny hatte aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht und seinen Gefühlen freien Lauf gelassen. Fast bewunderte ihn Jung dafür, es nötigte ihm zumindest Respekt ab. Aber das Gehörte berührte ihn auch fremdartig. Er glaubte ihm, und er glaubte ihm auch wiederum nicht. Jung huschte eine Idee zu Kindern durch den Kopf. Er konnte sie nicht festhalten.
    Er sagte müde: »Komm, lass uns nach Hause gehen. Mir ist es hier zu laut. Es ist auch schon spät, und ich habe Urlaub, du weißt.«
    »Ja richtig, du Urlauber. Ich übernehme das hier. Karim!«, rief er laut über den Tresen. »Put it on my bill, please.«
    »Everything okay, Tiny. See you later. Até amanha.«
    »Até amanha, Karim.«
    Tiny gab dem Bartender einen High-five über den Tresen und entschwand in großen Schritten in Richtung Ausgang. Jung hatte Mühe, ihm zu folgen.
    In der Oberwelt angekommen, gingen sie schweigend nebeneinander her. Jung war froh, Tiny an seiner Seite zu haben. Es war stockdunkel. Es musste Neumond herrschen. Die Stille lag bedrohlich und unheimlich über dem Ort. Er allein hätte sich leicht verlaufen können, gestand er sich widerwillig ein. Tinys Ortskenntnis und seine Unbekümmertheit verscheuchten seine aufkeimende Beklommenheit.
    »Komm, wir nehmen noch einen Absacker bei mir«, lud Tiny Jung ein, als sie vor der Zufahrt zu ihren Häusern standen.
    »Tiny, lass uns Schluss machen. Ich glaube, wir haben genug gehabt.«
    »Du bist doch so ’ne Art Gourmet-Fuzzy, hab ich recht?«
    »Wie kommst du darauf?«, fragte Jung verdattert.
    »Glaubst du, ich hätte nicht bemerkt, wie du Marias Sekt geschlürft hast? Fehlte nur noch, dass du den kleinen Finger abgespreizt hättest.«
    »Was willst du damit sagen, Tiny?«
    »Ich will sagen, dass ich einen guten Tropfen für dich im Keller habe. Lass dich überraschen, okay?«
    Jung überlegte. Was könnte Tiny schon in seinem Keller haben? Er hatte ihn heute schon das ein oder andere Mal überrascht. Jung schob seine Bedenken und seine Müdigkeit beiseite und gab seiner Vorliebe

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