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Tiefflug: Der vierte Fall für Kommissar Jung (German Edition)

Tiefflug: Der vierte Fall für Kommissar Jung (German Edition)

Titel: Tiefflug: Der vierte Fall für Kommissar Jung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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seiner Begleiterin und dem Meer gegolten hatte. Nun sah auch er die dicken gelben und blauen Planen über ihnen. Sie waren mit fingerdicken Stahltrossen zwischen Haupthaus und im Fels verankerten Stahlträgern verspannt. Es mussten hier Winde wehen, die eine so stabile Vorrichtung nötig machten.
    »Der Blick ist herrlich, nicht wahr?«, rief Amalia aus.
    »Ja. Ich bin froh, dass Sie mich hierher geführt haben. Es ist wirklich sehr schön«, erwiderte Jung ehrlich dankbar.
    »Os meliores momentos«, seufzte Amalia träumerisch.
    »Was heißt das?«
    »Die besten Momente sind hier«, antwortete sie genießerisch.
    Jung hätte ihre Bemerkung gern auf sich bezogen. Er vermutete jedoch etwas anderes dahinter und lenkte ab: »Und die beste Küche gibt es sicherlich auch hier, nicht wahr?«
    »Ja, sonst hätte ich Sie nicht hierher geführt, Senhor Jung.« Amalia hatte sich wieder gefangen und ergriff energisch die Speisekarte. Sie blätterte sie durch und reichte sie dann Jung hinüber.
    »Es gibt einen Peixe do dia. Sie können sich einen aussuchen. Er liegt drinnen in der Vitrine auf Eis.«
    »Ich möchte Ihnen überlassen, das Essen auszuwählen. Ich vertraue Ihnen.«
    »Oh, das ging aber schnell. Sind Sie sicher? Vielleicht mögen Sie nicht alles, was ich mag.«
    »Ihren guten Geschmack haben Sie schon bewiesen«, vergab er großzügig Komplimente. »Ich gebe zu, dass ich am liebsten mag, was aus dem Meer kommt.«
    »Auch lulas com tripas?« Sie sah ihn zweifelnd an.
    »Ist das etwas Schlimmes?«
    »Tintenfische mit Innereien und Tinte. Eine portugiesische Spezialität«, erklärte sie. Ihrer Stimme entnahm Jung die Absicht, ihn auf die Probe zu stellen und herauszufordern.
    »Ich bin für alles offen«, erwiderte er forsch, obwohl ihm die Vorstellung eines in der eigenen Tinte mitsamt Magen und Darm gesottenen Kraken den Appetit verdarb.
    Sie musste seinen Widerwillen an seinem Gesicht abgelesen haben und lachte schelmisch: »Heute lieber keine Experimente. Ich schlage vor, wir teilen uns nach dem Couvert einen Salada de Polvo und einen Salada Mixta, danach dann für jeden Peixe espada grelhado. Nachtisch sehen wir dann später, okay?«
    »Einverstanden. Welchen Wein?«
    »Ich trinke Wasser. Wir haben in Portugal null Promille. Nehmen Sie den weißen Hauswein«, empfahl Amalia resolut. »Er ist gut und preiswert.«
    »Okay. Den Espada, kann ich den auch besichtigen? Ich weiß gar nicht, wie der aussieht.«
    »Klar. Gehen Sie nur rein. Der Chef zeigt Ihnen, was Sie wollen.«
    Jung erhob sich und betrat den Gastraum. Dieser war überraschend groß. Wenn man vor dem Restaurant stand, konnte man nicht ausmachen, dass das Gebäude an dem felsigen Abhang entlang nach hinten durchgebaut war und eine zweite Terrasse sich daran anschloss. Die Front zum Meer war auf ganzer Länge verglast, und Jung stellte sich vor, wie gern er auch im Winter, bei Kälte, Sturm und tosender Brandung, hier gesessen hätte. Das Gestühl war blau gestrichen, die Tische hübsch eingedeckt mit weißen Tischdecken und Stoffservietten, dreierlei Weingläsern und ohne folkloristischen Schnickschnack.
    Vor einem Bartresen gleich am Eingang stand die Vitrine, in der eine beeindruckende Menge verschiedenster Meerestiere auslagen, darunter auch viele Schalentiere. Es roch intensiv nach frischem Fisch und Meerwasser.
    Jung erholte sich augenblicklich von der Attacke des in schwarzer Tinte gekochten Kraken. Ein meterlanger silbriger Fisch mit spitzem Kopf, der eher einer hässlichen Schlange glich, fiel aus dem Sortiment hübscher Seefische heraus. Es war der Peixe Espada, wie ihn der korpulente, freundliche Chef belehrte. Jung hatte es geahnt. Der Mann beruhigte ihn und versicherte, der Fisch werde ihm garantiert schmecken. Wenn nicht, werde er ihn nicht in Rechnung stellen. Seinem Versprechen wohnte eine Überzeugungskraft inne, die Jung aufatmen ließ. Er bedankte sich und wandte sich zurück nach draußen.
    An der Wand vor dem Ausgang sprang ihm ein überdimensionierter Steckbrief in die Augen. Er fahndete nach den Entführern des englischen Mädchens. Ein Konterfei der Kleinen in Farbe und der Hilfeschrei ›Ajuda-me‹ gaben dem Plakat eine schrille Dramatik. Jung fluchte innerlich. Er fühlte sich inzwischen von den Betreibern der Kampagne verfolgt. Nicht einmal an diesem abgelegenen Ort, beim Essen mit seiner hübschen Begleiterin, konnten sie ihn in Ruhe lassen. Wer waren sie? Wo waren sie? Was passierte hier eigentlich, fragte er sich zum

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