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Tiefflug: Der vierte Fall für Kommissar Jung (German Edition)

Tiefflug: Der vierte Fall für Kommissar Jung (German Edition)

Titel: Tiefflug: Der vierte Fall für Kommissar Jung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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abkühlend einzuwirken. Er erinnerte sich an die Worte von Maria, Rosa und Amalia und an das, was sie zu England und den Engländern und zu ihrem eigenen Land und sich selbst zu sagen gewusst hatten.
     
    *
     
    Seine Gedanken schwenkten ab und beschäftigten sich mit dem morgigen Tag. Was hatte Tiny mit ihm vor? Konnte er ihm trauen? Er war so sprunghaft, mal so, mal so. Sein Gefühl sagte ihm, dass er wirklich kein schlechter Kerl war. Aber das hatte nichts damit zu tun, dass Tiny nicht großen Unsinn verzapfen konnte, einfach so, ohne böse Absichten und ohne fiese, hinterfotzige Aggression. In Jung regte sich Besorgnis. Glaubte er eigentlich an Tinys Geschichte? Ja, er glaubte ihm. Und warum? Es sprach nicht viel für ihn, im Grunde genommen sprach gar nichts für ihn. Er wusste, dass die Antwort, die er auf seine Frage hatte, objektiv nicht zu halten war, aber dennoch überzeugen würde: Tinys Geschichte würde sich kein Mann ausdenken können. Dazu waren Männer zu dumm. Es fehlte ihnen an Fantasie. Zu einer Frau würde die Geschichte viel eher passen.
    Er biss herzhaft in sein Schinkenbrot und spülte es mit Wasser herunter. Dabei fiel ihm ein, dass Tiny ihn angewiesen hatte, nicht zu viel zu essen. Er legte das Brot zurück auf den Teller. Was hatte Tiny nur vor? Jungs Unruhe wuchs. Ihm fiel seine Urlaubslektüre ein. Vielleicht konnte sie helfen, ihn zu beruhigen.
    Er holte das Buch aus dem Schlafzimmer, schaltete den Fernseher ab und begann zu blättern. Im Kapitel: ›Bei Sinnen sein‹ stieß er auf eine Textpassage, die sein Interesse weckte. Er las:
    ›Sobald uns etwas als Problem erscheint, sind wir im Kopf und versuchen, damit fertig zu werden. Wir wollen unsere Sicherheit durch Denken wiedergewinnen. Wir fragen uns, wie wir uns selbst oder etwas außerhalb unseres Selbst verändern können, und sind schon verwirrt. Wenn ich auch nur den leisesten ärgerlichen Gedanken über jemanden habe, versuche ich nicht sofort, die Situation in der Vorstellung zu regeln, sondern mich einfach zu fragen: ›Höre ich die Autos auf der Straße wirklich?‹ Wenn wir einen einzelnen Sinn wie das Gehör voll einsetzen, setzen wir alle Sinne ein, weil sie alle in der Gegenwart funktionieren. Sobald wir ganz gewahr sind, sehen wir, was in der Situation zu tun ist. Handeln, das aus wachem Erfahren entsteht, ist fast immer befriedigend.‹ Es stimmte.
    Jung legte das Buch beiseite und versuchte zu tun, was der Text ihm empfahl. Er konzentrierte sich auf seine Sinne und merkte, dass er satt und müde war. Und was war in dieser Situation zu tun? Die Antwort war einfach, so einfach, dass sie ihn in ungläubiges Erstaunen versetzte: Essen einstellen und schlafen gehen. Punkt.
    Als er im Bett lag und langsam das Bewusstsein verlor, war es draußen noch hell.
     
    *
     
    Jung erwachte früh. Die Sonne ging an einem wolkenlosen Himmel auf. Er zog sich rasch an. Auf Tinys Anraten verzichtete er aufs Frühstück. Er verschwendete keine Gedanken darauf, was ihn erwartete, sondern konzentrierte sich auf das, was er für einen Ausflug nötig zu haben glaubte: leichte Kleidung und bequemes Schuhwerk, Ausweis, genügend Geld, Sonnenbrille und sein schwarzes Bennetton-Ballcap, das seinen gelichteten Hinterkopf vor Sonnenbrand schützen sollte.
    Tiny erwartete ihn im Garten. Er rauchte eine erste Zigarette am Morgen. Er sah ausgeruht aus, ganz anders als noch am Tag zuvor. Wahrscheinlich war er früh zu Bett gegangen und hatte die Nacht bei gutem Schlaf verbracht, dachte Jung. Es amüsierte ihn, dass Tiny offensichtlich das Gleiche getan hatte wie er, ohne zuvor ein esoterisches Buch zu Rate gezogen zu haben.
    »Bom dia, Tiny«, begrüßte er ihn. »Nehmen wir dein Auto, einen Esel oder müssen wir etwa zu Fuß gehen?«
    Jungs Humor kam bei Tiny nicht an.
    »Olá, Tomi. Bom dia. Komm mit.«
    Sie durchquerten das Haus und verriegelten hinter sich die Haustür. Tiny setzte sich wortlos ans Steuer seines Wagens und winkte Jung, sich zu beeilen.
    »Wohin fahren wir?«, fragte Jung, als sie auf die Straße nach Lagoa und Portimao einbogen.
    »Du hast hoffentlich nichts Schweres gefrühstückt?«
    »Zu Befehl, Herr Hauptmann«, antwortete Jung wie ein gehorsamer Soldat.
    »Major, bitte!«, korrigierte ihn Tiny ernst. »Wir fahren jetzt nach Beja auf die Base Aerea 11. Wir fliegen zusammen eine Standardrunde über das Alentejo und die Algarve. Ich habe mit dem Kommodore, einem ehemaligen Schüler von mir, gesprochen. Er ist auf der Basis der

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