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Tiefflug: Der vierte Fall für Kommissar Jung (German Edition)

Tiefflug: Der vierte Fall für Kommissar Jung (German Edition)

Titel: Tiefflug: Der vierte Fall für Kommissar Jung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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glaubte, an ihm eine antiquierte Ritterlichkeit entdeckt zu haben, die andere vielleicht humorlos als Imponier- und Machogehabe abgetan hätten, Eigenschaften, die völlig out waren. Vielleicht waren sie auch nur naiv und kindisch. Aber Jung berührten sie merkwürdig, trotz der Unglaublichkeiten, die Tiny ihm offenbart hatte. Außerdem war Tiny nicht dumm und zeigte sich sogar jetzt ziemlich abgezockt. Jung war verwirrt. Er musste Zeit gewinnen, um da irgendwie wieder rauszukommen. Schließlich sagte er:
    »Du kannst von Glück sagen, dass Maria nicht lesen kann und dass sie mich und nicht ihre Tochter um Hilfe gebeten hat. Dass ich ein Weinliebhaber bin, gereicht dir geradezu zum Superglück.«
    »Was meinst du damit? Ich fühle mich nicht gerade vom Glück verfolgt.«
    »Du hast Glück, weil es momentan so aussieht, als hättest du genug Zeit zu überlegen, was sinnvollerweise getan werden kann. Zumindest kann die Lage für uns kaum noch schlechter werden.«
    »Und warum lassen wir sie dann nicht so, wie sie ist, und tun gar nichts?«, bemerkte Tiny listig.
    Jung wollte schon zu einer geharnischten Erwiderung ansetzen. Aber die Sinnlosigkeit allen Lamentierens war schon in sein Hirn gesickert und hielt ihn zurück. Stattdessen ging ihm langsam die Sinnhaftigkeit von Tinys Vorschlag auf. Er verstummte.
    Er sah Tiny skeptisch an und sagte: »Ich muss nachdenken. Dazu wäre eine Flasche von dem Luxustropfen nicht schlecht. Also, was ist, Tiny?«
    »Zu Befehl«, versicherte Tiny beflissen. »Ich nehme Bier. Rotwein vertrage ich nicht.«
    Jung lachte sarkastisch. Er lachte zum ersten Mal an diesem Vormittag. Angesichts dessen, was er gehört hatte, kam er sich frivol und abgebrüht vor.
    Tiny verschwand im Haus. Jung lehnte sich zurück und schloss für einen Moment die Augen.
    In welchen Schlamassel war er hier geraten? Er war jetzt Mitwisser und deswegen in der Verantwortung. Wie wollte er der gerecht werden? Er war Polizist und hatte auch noch eine herausgehobene Verantwortung. Auf der anderen Seite sah er sich als einfachen Urlauber. Er wusste allerdings schon jetzt, dass er sich auf diese Position nicht zurückziehen konnte. Er verfluchte die Situation und fing an, darüber zu grübeln, wie er das Fiasko hätte vermeiden können. Als Tiny mit der Flasche zurückkam, hatte Jung eingesehen, dass er seine Zeit nicht mit Grübeln über Vermeidungsstrategien vergeuden, sondern sie besser zur Erarbeitung von Bewältigungsstrategien nutzen sollte.
    »Tiny, hast du ein richtiges Weinglas? Ich mag nicht aus Zahnputzbechern trinken.«
    »Okay, wie der hohe Herr wünschen. Darf ich in Gegenwart dero Gnaden aus der Flasche trinken?«, fragte er aufmüpfig.
    »Tiny, hör auf rumzuzicken«, befahl Jung übellaunig. »Stellst du dich auch so an, wenn du deinen Schniesel in fremde Frauen steckst?« Jungs Nerven lagen blank, und er sagte Sachen, die er lieber nicht hätte sagen sollen. Tiny sprang darauf an wie ein Kettenhund.
    »Jetzt will ich dir mal was sagen, du Vollpfosten. Wenn du jemals mit einer Frau erlebt hättest, was ich mit der Engländerin erlebt habe, dann hätte sich die Welt ein Stück zum Besseren verändert und du würdest ein Stück Liebe gespürt haben und nicht daherreden wie ein Straßenköter.«
    »Lass das sentimentale Tremolo, Tiny. Das passt nicht zu dir. Und red kein Blech. In dieser Sekunde haben Millionen Menschen auf der Erde Sex und nichts ändert sich. Die Welt ist in den letzten Tagen, seit du die Engländerin gevögelt hast, kein Deut liebevoller geworden, jedenfalls hab ich nichts davon gemerkt. Aller Wahrscheinlichkeit nach gibt es neun Monate später ein paar Menschen mehr auf dieser Welt. Ob das ein Beitrag zum Besseren ist, wage ich zu bezweifeln.«
    Jung ermahnte sich, das sinnlose Gequatsche mit Tiny abzubrechen. Es brachte nichts ein außer schlechter Stimmung. Er aber brauchte nüchternen Verstand und kluge Ideen. Er lenkte ab.
    »Hast du nun ein Weinglas oder nicht?«
    Tiny stand wortlos auf und ging ein ordentliches Glas holen. Als er zurückgekommen war, schenkte er, noch immer stumm, den Wein in ein großes Ballonglas ein. Er reichte Jung das übervolle Glas in die Hand und nahm danach seine Bierflasche in die Faust.
    »A nossa saúde, Tomi.« Tinys Stimme färbte noch immer Trotz, aber mit versöhnlichem Anstrich.
    »Quidquid agis, prudenter agas et respice finem.« [11] Jung prostete ihm zu.
    »Was heißt denn das nun schon wieder, Herr Oberkriminaler?«, stöhnte Tiny.
    »Ah,

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