Tiefsee: Reise zu einem unerforschten Planeten
Kilometer langen und stattliche 69 Kilometer breiten Rinne in die Tiefe. Eine Dimension, die man sich eigentlich gar nicht vorstellen kann.
Unser Museumsführer liest in unseren ungläubigen Mienen offenbar ein völlig unzureichendes Vorstellungsvermögen. Er hilft uns auf die Sprünge und bringt uns ein anschauliches Beispiel der Dimension dieses Grabens: »Würde man den höchsten Berg der Erde, den 8.850 Meter hohen Mount Everest, in dieser Spalte versenken, wäre er immer über 2 Kilometer hoch mit Wasser bedeckt. Abgesehen davon, dass dann am Fuß des Everest rund 1 Tonne auf jeden Quadratzentimeter des Bergmassivs drückt.« Wir stellen uns bei dieser Schilderung vor, wie es wohl James Cameron ergangen sein musste, der erst vor kurzem, im März 2012, mit einem Ein-Mann-Tauchboot ganz alleine in dieser Tiefe war und daher auch diesem Druck ausgesetzt war. Natürlich nicht er, sondern sein Tauchboot, aber beeindruckend allemal.
Thomas kommt jetzt richtig in Fahrt und erzählt uns weitere Details über den Meeresgrund. Rund 71 Prozent unseres Planeten sind von Wassermassen bedeckt, wobei der Anteil der drei Ozeane Atlantik, Indik und Pazifik den größten Teil ausmacht. Nicht einmal ein Prozent der Weltmeere ist derzeit erforscht. Was aber auch nicht wirklich ein Wunder ist, wenn man die Beschaffenheit des Meeresbodens genauer unter die Lupe nimmt. In diesen drei Weltmeeren gibt es mindestens 30 Tiefseegräben, die tiefer als 6.000 Meter sind. Dass man hier doch recht schnell die Orientierung verliert, leuchtet sogar mir ein.
Als Sporttaucher bin ich selbst schon etliche Male abgetaucht und habe die Ufer- und Küstenregionen diverser Länder erkundet. Dabei bin ich aber noch nicht einmal im Ansatz zum Kontinentalschelf vorgedrungen. Und genau dort, am »Ende« der Landmasse, wenn man so will, beginnt ja erst der eigentliche Tiefsee-Bereich. Zur Erforschung dieser Regionen braucht man halt einfach die entsprechenden Gerätschaften – und die scheinen nicht so häufig zu sein.
Wir nehmen uns vor, dem genauer auf die Spur zu kommen. Marcus erinnert sich an einen Spruch, den er vor einiger Zeit einmal gelesen hatte. »Mit unseren Methoden hätten wir an Land nicht einmal die Elefanten entdeckt«, wurde dabei der amerikanische Meeresbiologe und Professor an der renommierten Duke University, J. Frederick Grassle, zitiert. Na, wenn der Herr Professor das schon so tragisch sieht, wollen wir doch versuchen, ein wenig Licht in dieses Dunkel zu bekommen. Jetzt dringen wir also mit unserer eigenen »Forschung« schon etwas ins Bathypelagial vor, wie der Bereich ab 4.000 Meter Tiefe heißt, in dem das ganze Jahr über ewige Dunkelheit herrscht.
Wir nehmen etliche Tiefseebewohner in der Zoologischen Abteilung näher unter die Lupe. Rein ästhetisch gesehen keine beglückende Aufgabe. Einer hässlicher als der andere, aber spannend wie ein Lottogewinn. Dann machen wir uns auf den Weg in die Mineralien-Sammlung, denn Thomas hat da eine besondere Überraschung für uns. »Wisst ihr, was das ist?« Ein dürrer Finger zeigt auf einen dunkelgrauen, etwa einen Meter hohen, einen halben Meter breiten und 20 bis 30 Zentimeter dicken Klumpen Gestein am hintersten Ende des Mineralien-Saals. »Keine Ahnung – ein Stein?«, versuche ich mein Fachwissen an den (Fach-)Mann zu bringen. »Im Prinzip ja, aber ein ganz ein Besonderer. Das ist ein Schwarzer Raucher, der aus 2.500 Meter Tiefe aus der Bismarck-See im Westpazifik geholt wurde. Das Teil wiegt trotz der eher geringen Größe stattliche 450 Kilogramm! Die werden sich damals ziemlich angestrengt haben, den an Bord ihres Forschungsschiffs, der Olga II, zu bekommen.«
Schwarze Raucher bringen unter hohem Druck und teilweise auch sehr hohen Temperaturen Mineralien aus dem Erdinneren nach oben und geben sie ins umgebende Wasser ab. Dadurch entsteht eine große Wolke, und schnell hatten die Raucher ihren Namen. Das Besondere aber ist die Umgebung dieser hydrothermalen Schlote: Sie stellt nämlich einer Unzahl von Tiefseebewohnern den idealen Lebensraum zur Verfügung. Diese fühlen sich in der warmen Geborgenheit der Raucher sichtlich wohl. Raucher sind eben gemütlich, denke ich still und heimlich und vermisse schon wieder meine Zigaretten. Wieso habe ich auch aufgehört zu rauchen, vielleicht hätte man sich dann in meiner Umgebung noch wohler gefühlt?
Sei es, wie es sei – wir verlassen das Museum und unseren geduldigen Begleiter in der Sicherheit, dass wir uns noch lange sehr
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