Tiefsee
dem gewachsten Betonboden standen in vier langen, wohlgeordneten Reihen alte und berühmte Automobile. Die meisten wiesen den gleichen strahlenden Glanz auf wie an dem Tag, an dem ihre Karosseriebauer sie fertiggestellt hatten. Einige wenige befanden sich in verschiedenen Stadien der Restaurierung.
Sandecker verharrte zwischen einem majestätischen Rolls-Royce Silver Ghost aus dem Jahre 1921 mit einer Karosserie von Park-Ward und einem massiven, roten Isotta-Fraschini aus dem Jahre 1925 mit einer Torpedokarosserie von Sala.
Die beiden Glanzstücke der Sammlung waren ein altes, dreimotoriges Fordflugzeug manchem Flugzeugfan als die »Blechgans« bekannt – und ein Eisenbahn-Pullmanwagen aus den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts, auf dessen stählerner Seitenwand die Worte MANHATTAN LIMITED in goldenen Lettern standen. Sandecker stieg über eine eiserne Wendeltreppe zu einer verglasten Wohnung empor, die an einem Ende des Hangars das oberste Stockwerk einnahm. Das Wohnzimmer war mit Marine-Erinnerungsstücken geschmückt, darunter mit Regalen voller zierlich gearbeiteter Schiffsmodelle in Glasbehältern.
Pitt stand vor einem Herd und betrachtete ein seltsam aussehendes Gebrutzel in einer Bratpfanne. Er trug eine Khakiwanderhose, zerrissene Tennisschuhe und ein T-Shirt, auf dem vorne die Worte
»Hebt die Lusitania«
standen.
»Sie kommen gerade rechtzeitig zum Essen, Admiral.«
»Was haben Sie denn in der Pfanne?« fragte Sandecker und musterte mißtrauisch deren Inhalt.
»Nichts Besonderes. Ein würziges mexikanisches Omelett.«
»Mir genügt eine Tasse Kaffee und eine halbe Grapefruit.«
Während sie sich an den Küchentisch setzten, servierte Pitt und schenkte den Kaffee ein. Sandecker legte die Stirn in Falten und schwenkte eine Zeitung. »Ihr Name steht auf Seite zwei.«
»Hoffentlich ist der Artikel so interessant wie in den anderen Zeitungen.«
»Was wollen Sie eigentlich beweisen? Sie halten eine Pressekonferenz ab und behaupten, Sie hätten die
San Marino
gefunden, was nicht der Wahrheit entspricht, und die
Pilottown
, was streng geheim bleiben soll. Haben Sie den Verstand verloren?«
Pitt machte zwischen zwei Bissen Omelett eine Pause. »Ich habe das Nervengift nicht erwähnt.«
»Glücklicherweise hat es die Armee gestern in aller Stille vergraben.«
»Um so besser. Da die
Pilottown
jetzt leer ist, ist sie nur ein weiteres rostendes Schiffswrack.«
»Der Präsident wird das wohl anders beurteilen. Wenn er nicht in New Mexico wäre, hätten sie uns im Weißen Haus schon zur Sau gemacht…«
Sandecker wurde durch ein Klingelzeichen unterbrochen. Pitt erhob sich und drückte auf einen Schalter auf einem kleinen Brett.
»Jemand an der Tür?« fragte Sandecker.
Pitt nickte.
»Das ist eine Grapefruit aus Florida«, knurrte Sandecker und spuckte ein Stück Schale aus.
»Na und?«
»Die texanischen sind mir lieber.«
»Ich werde es mir merken«, grinste Pitt.
»Zurück zu Ihrem Ammenmärchen«, sagte Sandecker und drückte den restlichen Saft in einen Löffel. »Ich möchte Ihre Begründung dazu hören.«
Pitt erläuterte sie ihm.
»Warum überlassen Sie das nicht dem Justizministerium? Die werden ja schließlich dafür bezahlt.«
Pitts Augen bekamen einen harten Ausdruck, und er fuchtelte drohend mit der Gabel. »Weil die Justizbeamten niemals den Auftrag bekommen werden, Nachforschungen anzustellen. Die Regierung ist doch nicht bereit zuzugeben, daß über dreihundert Todesfälle durch ein gestohlenes Nervengift verursacht wurden, das es angeblich gar nicht gibt. Prozesse und nachteilige Berichte in der Öffentlichkeit würden sich jahrelang hinziehen.
Sie wollen doch nur die ganze Schweinerei möglichst übertünchen, damit sie bald vergessen wird. Der Ausbruch des Vulkans Augustin erfolgte dazu gerade zur rechten Zeit. Noch heute wird der Pressesprecher des Präsidenten ein gefälschtes Kommunique herausgegeben, in dem die Schwefelgaswolken für die Todesfälle verantwortlich gemacht werden.«
Sandecker blitzte ihn einen Augenblick streng an. Dann fragte er: »Wer hat Ihnen das alles erzählt?«
»Ich«, meldete sich eine weibliche Stimme von der Tür her.
Auf Lorens Gesicht lag ein entwaffnendes Lächeln. Sie kam soeben vom Jogging zurück und trug kurze rote Satinshorts mit dazu passendem Oberteil und ein Kopfband. Die Luftfeuchtigkeit in Virginia hatte recht schweißtreibend gewirkt, und sie war noch ein wenig atemlos. Sie trocknete ihr Gesicht und Pitt übernahm die Vorstellung.
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