Tiefsee
wollte; manchmal kam er bei Sonnenaufgang und arbeitete durch bis zum nächsten Morgen.
Er erschien selten bei Abteilungsbesprechungen, doch Sandecker ließ ihn in Frieden, weil es keinen Besseren gab und weil Yaeger eine unheimliche Fähigkeit besaß, geheime Codeschlüssel zu einer ungeheuren Zahl von weltweiten Computernetzen herauszufinden.
Er trug immer Jeansjacke und -hose und sein langes, blondes Haar in einem Knoten im Nacken. Ein zottiger Bart sowie sein durchdringender Blick verliehen ihm das Aussehen eines Wüstenprospektors, der vom nächsten Hügel aus nach Eldorado Ausschau hält.
Er saß an einem Computerterminal in einer abgelegenen Ecke von NUMAs elektronischem Labyrinth. Pitt stand neben ihm und betrachtete interessiert die grüne Computerschrift auf einem Bildschirm.
»Das ist alles, was wir aus dem Massenspeichersystem der Marineverwaltung herausfiltern können.«
»Dort gibt es also nichts Neues«, stimmte Pitt zu.
»Was jetzt?«
»Kannst du die Datenbank des Hauptquartiers der Küstenwache anzapfen?«
Yaeger grinste breit. »Kann Tante Jemima Pfannkuchen backen?«
Er zog ein dickes schwarzes Notizbuch kurz zu Rate, fand die Eintragung, die er suchte, und tippte die Nummer in ein Tastentelefon, das mit einem Modem verbunden war. Das Computersystem der Küstenwache meldete sich, bestätigte Yaegers Zugangscode, und die grüne Computerschrift fegte über den Bildschirm.
»Bitte, geben Sie Ihre Anfrage ein.«
Yaeger sah Pitt fragend an.
»Frag nach den Besitzverhältnissen an der
Pilottown
«, ordnete Pitt an.
Yaeger nickte und tippte seine Anfrage in den Terminal. Als die Antwort sofort kam, studierte Pitt sie eingehend und notierte sich alle Transaktionen des Schiffes von der Zeit an, da es gebaut worden war, wer sein Besitzer war, solange es mit ordentlichen Schiffspapieren ausgestattet unter der Flagge der Vereinigten Staaten lief, und mit welchen Hypotheken es belastet gewesen war. Das Ergebnis war enttäuschend. Die
Pilottown
war aus dem Register gelöscht worden, als sie an eine ausländische Firma, in diesem Fall die Kassandra Phosphate Company in Athen in Griechenland verkauft worden war.
»Etwas Erfolgversprechendes?« erkundigte sich Yaeger.
»Wieder eine Fehlbohrung«, knurrte Pitt.
»Wie wäre es mit Lloyds in London? Die werden sie in ihrem Schiffsregister haben.«
»Okay, versuch es mal.«
Yaeger unterbrach die Verbindung mit der Datenbank der Küstenwache, suchte wieder in seinem Buch und fand den Einstiegscode zu der Computerbank der großen Seeversicherungsgesellschaft. Die Daten wurden mit einer Geschwindigkeit von 400 Buchstaben pro Minute ausgedruckt.
Diesmal war die Schilderung der Geschichte der
Pilottown
etwas eingehender. Dennoch sah es aus, als wäre nur wenig davon verwertbar.
Dann erregte ein Hinweis am Ende des Bildschirms Pitts Aufmerksamkeit.
»Ich glaube, wir haben etwas ausgegraben.«
»Mir fällt nichts Besonderes auf.«
»Die Zeile nach der Sosan Trading Company.«
»Wo sie als Unternehmer angegeben ist? Na und? Das hatten wir schon vorher gehabt.«
»Als Eigner, nicht als Unternehmer. Das ist ein Unterschied.«
»Was beweist das?«
Pitt richtete sich auf, und sein Blick wurde nachdenklich. »Der Grund, weshalb Eigner ihr Schiff unter einer sogenannten billigen Flagge registrieren lassen, besteht darin, daß sie kostspielige Lizenzen, Steuern und einschränkende Betriebsvorschriften umgehen. Ein weiterer Grund ist, daß sie jeder Art von Untersuchung entgehen. Sie gründen also eine Scheinfirma und führen die Adresse der Firmenzentrale als Postfach, in diesem Fall Inchon, Korea. Wenn sie nun einen Unternehmer verpflichten, um Frachtverträge abzuschließen und eine Mannschaft für das Schiff anzuheuern, muß das Geld von einem zum anderen überwiesen werden. Es müssen also Banken eingeschaltet werden, und Banken führen Aufzeichnungen.«
»In Ordnung, aber angenommen, ich bin ein Stammhaus.
Warum sollte ich meine fragwürdige Schiffahrtslinie von einer miesen Deckfirma betreiben lassen, wenn wir nachweisbare Bankbeziehungen in Kauf nehmen müssen? Ich weiß nicht, wo da der Vorteil liegen sollte.«
»Ein Versicherungsschwindel«, antwortete Pitt. »Der Unternehmer besorgt die schmutzige Arbeit, während die Besitzer abkassieren. Nimm zum Beispiel den Fall eines griechischen Tankers, der sich vor einigen Jahren ereignet hat.
Der Frachter hieß
Trikeri
. Er lief mit bis zum Rand gefüllten Öltanks aus Surabaja in Indonesien aus.
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