Tiefsee
vielleicht beschuldigen, die Seele des Menschen zu zerstören.«
»Wie Sie bin ich ein loyales Mitglied der Kommunistischen Partei, Genosse Suworow. Ich glaube nicht an die Rettung der Seelen. Wie dem auch sei, in diesem Fall können wir keine spektakuläre Bekehrung zulassen. Es wird keinen Bruch in: seinen grundlegenden Denkprozessen geben, keine Änderung in Redeweise oder -wendungen.«
»Also eine Form von kontrollierter Gehirnwäsche.«
»Das ist keine primitive Gehirnwäsche«, antwortete Lugowoj empört. »Unsere Fähigkeiten übertreffen bei weitem alles, was die Chinesen erfunden haben. Sie glauben noch immer daran, die Ich-Persönlichkeit einer Person zerstören zu müssen, um sie umzuerziehen. Ihre Experimente mit Drogen und Hypnose haben wenig Erfolg gezeitigt. Hypnose ist zu verschwommen, zu unzuverlässig, um von langer Dauer zu sein. Und Drogen haben sich dadurch, daß sie eine plötzliche Veränderung in der Persönlichkeit und dem Verhalten verursachten, als gefährlich erwiesen.
Wenn ich meine Arbeit an dem Versuchsobjekt beendet habe, wird es wieder in die Wirklichkeit zurückkehren und seinen persönlichen Lebensstil wieder aufnehmen, als hätte er ihn niemals unterbrochen. Ich beabsichtige nur, seine politischen Perspektiven zu verändern.«
»Wer ist das Versuchsobjekt?«
»Wissen Sie es nicht? Erkennen Sie ihn nicht?«
Suworow studierte das Videobild. Allmählich weiteten sich seine Augen, und er trat zwei Schritte an den Schirm heran, sein Gesicht war angespannt, seine Lippen bewegten sich mechanisch.
»Der Präsident…« Seine Stimme erstarb zu einem ungläubigen Flüstern. »Ist das wirklich der Präsident der Vereinigten Staaten?«
»In Fleisch und Blut.«
»Wie… wo…«
»Ein Geschenk unserer Gastgeber«, erklärte Lugowoj unbestimmt.
»Wird er nicht unter Nachwirkungen leiden?« fragte Suworow verwirrt.
»Keineswegs.«
»Wird er sich an den Aufenthalt hier erinnern können?«
»Wenn er in zehn Tagen aufwacht, wird er sich nur daran erinnern können, daß er zu Bett gegangen ist.«
»Sie können das tun, wirklich durchführen?« erkundigte sich Suworow mit der starren Hartnäckigkeit des typischen Sicherheitsdienstorgans.
»Ja«, bestätigte Lugowoj, dessen Augen zuversichtlich leuchteten. »Das und noch vieles mehr.«
21
Wildes Flügelschlagen durchbrach die Stille des frühen Morgens, als sich zwei Fasane in den Himmel erhoben.
Sowjetpräsident Georgij Antonow riß das doppelläufige Purdey-Jagdgewehr an die Schulter und drückte die beiden Abzüge rasch nacheinander durch. Die Zwillingsschüsse hallten durch den nebelfeuchten Wald. Einer der beiden Vögel hielt plötzlich im Flug inne und taumelte zu Boden.
Wladimir Polewoj, der Leiter des Komitees für Staatssicherheit, wartete einen Augenblick, bis er sicher war, daß Antonow den zweiten Fasan verfehlt hatte, bevor er ihn mit einem Schuß herunterholte.
Antonow fixierte seinen KGB-Direktor mit einem strafenden Blick. »Sie wollen bei Ihrem Chef wieder einmal angeben, Wladimir?«
Polewoj verstand den gespielten Ärger Antonows richtig.
»Ihr Schußwinkel war schwierig, Genosse Präsident, meiner war recht günstig.«
»Sie hätten lieber ins Außenministerium eintreten sollen als in die Geheimpolizei«, lachte Antonow. »In Diplomatie erreichen Sie beinahe Genosse Gromyko.« Er sah sich im Wald um. »Wo befindet sich unser französischer Gastgeber?«
»Präsident L’Estrange steht siebzig Meter links von uns.«
Polewojs Erklärung wurde von einer Gewehrsalve irgendwo außer Sicht, jenseits des Unterholzes, unterbrochen.
»Gut«, brummte Antonow. »Wir können uns ein paar Minuten unterhalten.« Er reichte die Purdey Polewoj, der die leergeschossenen Patronen ersetzte und den Sicherheitsbügel umlegte.
Polewoj trat nahe an Antonow heran und sagte leise: »Ich; würde lieber nicht allzu offen sprechen. Der französische Geheimdienst hat überall Abhörsonden.«
»Geheimnisse halten sich heutzutage selten sehr lang« seufzte Antonow.
Polewoj lächelte vielsagend. »Ja, unsere Spezialisten haben; gestern nacht das Treffen zwischen L’Estrange und seinen Finanzminister aufgeze ichnet.«
»Irgendwelche wertvollen Hinweise, die ich erfahren sollte?«
»Nichts von Bedeutung. Der Großteil ihres Gesprächs drehte sich darum, daß man Sie überreden will, die Finanzhilfe des amerikanischen Präsidenten doch anzunehmen.«
»Wenn sie dumm genug sind zu glauben, daß ich die naive Großzügigkeit des
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