Tiefsee
Telefon.
»Hallo.«
»Dirk, hier spricht Yaeger. Bist du noch wach?«
»Danke für deinen Anruf. Wie geht es Sally? Ist sie schon aus der Intensivstation draußen?«
»Du kannst nicht sprechen, wie?«
»Nicht sehr gut.«
»Aber du kannst zuhören?«
»Kein Problem.«
»Schlechte Neuigkeiten. Ich komme nicht voran. Genauso gut kann ich ein ganzes Kartenspiel in die Luft werfen und hoffen, daß ich einen Royal Flush auffange.«
»Vielleicht kann ich deine Chancen verbessern. Bleib eine Minute am Apparat.« Pitt wandte sich an Casio. »Es betrifft diese Bankliste.«
Casio stand langsam auf, schenkte sich noch einen Jack Daniels ein und blieb mit dem Rücken zu Pitt stehen.
»Ein Tauschgeschäft, Mr. Pitt: Die Bankliste gegen alle Informationen, die Sie über die
San Marino
besitzen.«
»Die meisten meiner Informationen sind ein Staatsgeheimnis.«
»Mir ist verdammt egal, ob der Präsident sie sich in seine Unterhosen gestempelt hat. Entweder wir einigen uns, oder ich packe meinen Kram und haue ab.«
»Woher wollen Sie wissen, daß ich nicht lüge?«
»Meine Liste könnte schließlich auch Schwindel sein.«
»Dann müssen wir einander eben vertrauen«, schloß Pitt mit erleichtertem Grinsen.
»Das werden wir ganz bestimmt nicht tun«, knurrte Casio.
»Aber keinem von uns bleibt eine andere Wahl.«
Er nahm ein Blatt Papier aus der Mappe und reichte es Pitt, der daraufhin die Namen der Banken Yaeger am Telefon vorlas.
»Was jetzt?« fragte Casio.
»Jetzt werde ich Ihnen erzählen, was mit der
San Marino
geschehen ist. Und beim Frühstück werde ich Ihnen vielleicht sagen können, wer Ihre Tochter umgebracht hat.«
25
Fünfzehn Minuten nach Sonnenaufgang schalteten die fotoelektronischen Steuerungen in allen Straßenlampen Washingtons ihren Stromfluß aus. In wenigen Sekunden verblaßten nacheinander die gelbroten Strahlen der Natriumdampflampen und erloschen, bis ihre lichtempfindlichen Steuerungen sie fünfzehn Minuten vor Sonnenuntergang wieder zum Leben erweckten.
Zu dieser morgendlichen Stunde konnte Sam Emmett das Pulsieren des Frühverkehrs hören, während er rasch durch den Lieferantentunnel ging. Weder das Marinekorps noch der Secret Service hatten ihm eine Begleitung gestellt. Er kam allein, genau wie die anderen. Die einzige Person, die er getroffen hatte, nachdem er unterhalb des Finanzministeriums aus seinem Wagen gestiegen war, war der Wachtposten des Weißen Hauses, der an der Kellertür postiert war. Am Beginn des Korridors, der zum Krisenraum führte, wurde Emmett von Alan Mercier begrüßt.
»Sie sind der letzte«, teilte ihm Mercier mit.
Emmett sah auf seine Uhr und stellte fest, daß er um fünf Minuten zu früh gekommen war.
»Alle schon da?« fragte er.
»Bis auf Simmons, der in Ägypten ist, und Lucas, der den Vortrag an Ihrer Statt in Princeton hält, sind alle hier.«
Als er eintrat, winkte ihn Oates zu einem Stuhl neben dem seinen, während Dan Fawcett, General Metcalf, der CIA-Chef Martin Brogan und Mercier sich um den Konferenztisch herum gruppierten.
»Leider mußte ich die vorgesehene Zusammenkunft um vier Stunden vorverlegen«, begann Oates, »aber Sam teilte mir mit, daß seine Ermittlungen ergeben haben, wie die Entführung vor sich gegangen ist.« Ohne weitere Erklärungen nickte er dem FBI-Chef zu.
Emmett reichte jedem der Männer am Tisch Aktenmappen, dann stand er auf, ging zu einer Tafel und nahm ein Stück Kreide. Schnell und maßstabgerecht zeichnete er den Fluß, das Gelände von Mount Vernon und die am Kai vertäute Jacht des Präsidenten. Dann trug er die Einzelheiten ein und bezeichnete bestimmte Gebiete. Die fertige Zeichnung war so realistisch, daß sie ihm Talent zum Architekturzeichnen bescheinigte.
Als er schließlich sicher war, daß jedes Detail auf dem Schauplatz des Dramas der richtigen Stelle entsprach, wandte er sich seinen Zuhörern zu. »Wir werden den Vorfall chronologisch durchgehen«, erklärte er. »Ich werde kurz zusammenfassen, während Sie, meine Herren, die Einzelheiten in Ihrem Bericht studieren können. Einiges von dem, was ich beschreiben werde, beruht auf Tatsachen und belegbaren Beweisen. Manches ist Vermutung. Wir müssen die Lücken so gut wie möglich ausfüllen.«
Emmett schrieb in die linke obere Ecke der Tafel eine Zeitangabe.
»18 Uhr 25: Die
Eagle
trifft in Mount Vernon ein, wo der Secret Service bereits sein Sicherheitsnetz errichtet hat, und sofort mit der Überwachung beginnt.
20 Uhr 15: Der Präsident und
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