Tiefsee
packte die Leine und starrte hinunter. In nicht einmal einem Meter Entfernung verschwand die weiße Nylonschnur in undurchsichtiger Dunkelheit.
Pitt verwendete die Leine als Führung und Stütze und glitt in die Tiefe des Potomac. An seiner Gesichtsmaske schwebten dünne Algenfäden und kleine Sedimentteilchen vorbei. Er schaltete seine Taucherlampe ein, doch der schwache Strahl erhöhte seine Sicht nur um wenige Zentimeter. Er hielt an, um durch den Mund den wachsenden Druck in seinen Gehörgängen auszugleichen.
Der Druck wurde stetig größer, als er tiefer tauchte. Dann fiel die Wassertemperatur plötzlich um mehrere Grad, und die Sicht erweiterte sich auf drei Meter, als hätte er eine Tür durchschritten. Die kältere Schicht wirkte wie eine Art Kissen, das gegen die darübergelagerte Strömung drückte. Das Flußbett tauchte unter ihm auf, und Pitt machte die schattenhafte Kontur eines Schiffes zu seiner Rechten aus. Er drehte sich um und winkte Giordino, der zustimmend nickte.
Als tauchte sie aus einer Nebelwand auf, nahm der Decksaufbau der
Eagle
nach und nach Gestalt an. Sie lag wie ein lebloses Tier dort, allein in der gespenstischen Stille und in dem dunklen Gewässer.
Pitt schwamm eine Seite des Rumpfes entlang, während Giordino die andere begutachtete.
Die Jacht saß vollkommen aufrecht auf Grund, ohne ein Anzeichen von Schlagseite. Außer einer dünnen Algenschicht, die sich auf der weißen Farbe bildete, sah sie genauso unversehrt aus, als befände sie sich an der Oberfläche des Flusses.
Sie trafen am Heck zusammen, und Pitt schrieb auf seine Verständigungstafel:
»Irgendwelche Beschädigung?«
Giordino schrieb als Antwort:
»Keine«
Dann arbeiteten sie sich über die Decks hinweg, vorbei an den dunklen Fenstern der Kabinen und hinauf zur Kommandobrücke. Dort gab es auch nichts, das auf Tod oder Tragödie hinwies. Sie richteten das Licht ihrer Lampen durch die Brückenfenster in das dunkle Innere, sahen aber nichts als unheimliche Leere. Pitt stellte fest, daß der Telegraf im Maschinenraum auf »Alles Halt« stand.
Er zögerte einen kurzen Augenblick und schrieb eine neue Botschaft auf seine Tafel:
»Ich gehe hinein.«
Giordinos Augen glänzten unter dem Glas der Gesichtsmaske, und er antwortete:
»Ich komme mit.«
Wie gewöhnlich kontrollierten sie nun ihre Sauerstoffanzeiger.
Sie hatten noch weitere zwölf Tauchminuten. Pitt versuchte es mit der Tür zum Ruderhaus. Sein Herz krampfte sich zusammen. Selbst mit Giordino an seiner Seite war die Stimmung bedrückend. Die Klinke ließ sich drehen, und er stieß die Tür auf. Er holte tief Atem und schwamm hinein.
Das Messing glänzte stumpf im Licht der Taucherlampen. Pitt machte die Leere im Raum neugierig. Alles befand sich an seinem Platz. Der Fußboden war sauber, nirgends lagen Bruchstücke herum. Es erinnerte ihn an die
Pilottown
.
Da sie nichts Interessantes feststellen konnten, schwammen sie eine Treppe in den Gesellschaftsraum des Deckaufbaus hinunter. In der fließenden Dunkelheit schien sich der weite Raum bis in die Unendlichkeit zu dehnen. Überall herrschte die gleiche, seltsame Ordnung. Giordino richtete seine Lampe nach oben. Die Balken und Mahagonitäfelung über ihnen sahen fürchterlich nackt aus. Dann wurde Pitt klar, was ihn irritierte: Die Decke hätte mit Gegenständen bestückt sein müssen, die schwimmfähig sind. Alles, was an die Oberfläche steigen und an Land hätte geschwemmt werden können, mußte demnach sorgfältig entfernt worden sein.
Begleitet von dem Blubbern ihrer entweichenden Luftblasen, glitten sie durch den Korridor zwischen den Kabinen. Überall die gleiche peinliche Ordnung, sogar die Betten und Matratzen waren weggeschafft worden. Ihre Lampen beschienen die Möbel, die an dem teppichbelegten Deck sicher festgeschraubt waren. Pitt untersuchte die Badezimmer, und Giordino die Schränke. Als sie die Mannschaftsquartiere erreichten, hatten sie nur noch für sieben Minuten Luft. Sie verständigten sich kurz durch Handzeichen und machten sich dann alleine auf; Giordino durchsuchte die Küche und die Vorratsräume, während Pitt den Maschinenraum übernahm.
Er fand den Lukendeckel über dem Maschinenraum verschlossen und verriegelt vor. Ohne eine Sekunde Zeit zu verlieren, zog er rasch sein Tauchermesser aus der Scheide an seinem Bein und stemmte die Dübel in den Angeln auf. Der nun gelöste Lukendeckel glitt durch seinen Auftrieb nach oben und trieb an ihm vorbei.
Ebenso eine aufgedunsene
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