Tiefsee
entsetzt. »Konnten Sie einen von ihnen erkennen?«
»Dreizehn Mann gehörten der Besatzung an. Die übrigen sahen wie Zivilisten aus.«
»Acht Zivilisten?« Sandecker war niedergeschmettert.
»Soweit ich nach ihrer Kleidung schließen konnte. Der Zustand, in dem sie sich befanden, war nicht dafür geeignet, daß ich sie befragen konnte.«
»Acht«, wiederholte Sandecker. »Und keiner kam Ihnen bekannt vor?«
»Ich bin noch nicht einmal sicher, ob ihre eigenen Mütter sie noch identifizieren könnten. Warum? Sollte ich eine bestimmte Person erkennen?«
Sandecker schüttelte den Kopf. »Darüber darf ich nicht sprechen.«
Pitt konnte sich nicht entsinnen, den Admiral jemals so bestürzt gesehen zu haben. Er hatte seine sonst so straffe Haltung verloren. Seine stets durchdringenden, intelligenten Augen verrieten den vollen Umfang seiner Betroffenheit. Pitt wartete auf seine Reaktion, während er fortfuhr.
»Wenn ich eine Ansicht äußern müßte, würde ich meinen, daß jemand die halbe chinesische Botschaft umgebracht hat.«
»Chinesen?« Plötzlich wurden Sandeckers Augen kalt wie Eis.
»Was meinen Sie damit?«
»Sieben von den acht Zivilisten stammten aus Ostasien.«
»Irren Sie sich da gewiß nicht?« fragte Sandecker, der sich wieder erholte. »Bei geringer oder gar keiner Sicht…«
»Die Sichtweite betrug über drei Meter. Und ich kenne den Unterschied zwischen den Augenfalten eines Kaukasiers und eines Asiaten sehr wohl.«
»Gott sei Dank.«
»Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir mitteilen wollten, was Ihrer Meinung nach Al und ich dort hätten finden sollen.«
Sandeckers Blick wurde sanfter. »Ich schulde Ihnen eine Erklärung. Aber ich kann Ihnen keine geben, weil sich Ereignisse rings um uns abspielen, von denen Sie nichts zu wissen brauchen.«
»Ich habe mein eigenes Projekt.« Pitts Stimme klang kalt.
»Das hier interessiert mich nicht.«
»Ja, Julie Mendoza. Ich weiß schon.«
Pitt zog etwas aus dem Ärmel seines Taucheranzugs hervor.
»Hier, fast hätte ich es vergessen. Das habe ich einer der Leichen abgenommen.«
»Was ist es?«
Pitt hielt eine triefnasse Brieftasche in die Höhe. Im Inneren steckte ein wasserdichter Ausweis mit dem Foto eines Mannes.
Daneben befand sich ein Abzeichen in Form eines Schildes.
»Der Ausweis eines Secret Service-Agenten. Sein Name war Brock, Lyle Brock.«
Sandecker nahm die Brieftasche wortlos entgegen. Er blickte auf seine Uhr. »Ich muß mit Sam Emmett vom FBI Kontakt aufnehmen. Das ist von jetzt ab sein Problem.«
»So leicht können Sie diese Aufgabe nicht abgeben, Admiral.
Wir wissen beide, daß NUMA den Auftrag erhalten wird, die
Eagle
zu bergen.«
»Sie haben natürlich recht«, stimmte Sandecker müde zu. »Sie sind von diesem Projekt entbunden. Sie tun wieder Ihre sonstigen Pflichten. Ich werde die Bergung von Giordino besorgen lassen.« Er drehte sich um und trat ins Ruderhaus, um das Telefon zum Festland zu benützen.
Pitt blickte lange auf das dunkle, unheimliche Wasser des Flusses und durchlebte noch einmal die schreckliche Szene auf dem Flußgrund. Eine Zeile aus einem alten Seemannsgedicht ging ihm durch den Kopf: Ein Geisterschiff von Geistern bemannt, zu keinem Ziel unterwegs.
Dann zog er einen Vorhang vor seine düsteren Gedanken und befaßte sich wieder mit der
Pilottown
.
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Am Ostufer des Flusses preßte ein in einem Eschengestrüpp verborgener Mann in einem vietnamesischen Blättertarnanzug das Auge an den Sucher einer Videokamera. Infolge der Sonne und der Luftfeuchtigkeit liefen ihm Schweißtropfen über das Gesicht. Er kümmerte sich nicht darum, sondern filmte weiter und verstellte sein Zoom soweit, bis Pitts Oberkörper den Miniaturbildschirm ganz ausfüllte. Dann schwenkte er über die gesamte Länge des Fischerbootes und nahm jedes Besatzungsmitglied einzeln einige Sekunden lang auf.
Eine halbe Stunde, nachdem die Taucher aus dem Wasser gestiegen waren, versammelte sich eine kleine Flottille von Booten der Küstenwache bei der
Hoki Jamoki
. Ein Drehkran auf einem der Schiffe hob eine große, rotgestreifte Boje mit einem Blinklicht über die Reling und setzte sie neben dem Wrack der
Eagle
aufs Wasser.
Als die Batterie seines Aufnahmegerätes leer war, packte der verborgene Kameramann seine Ausrüstung zusammen und verschwand in der einsetzenden Dämmerung.
31
Pitt studierte die Speisekarte, als der Oberkellner des Restaurants La Bagatelle in der K-Street Loren zu seinem Tisch führte.
Ihr Kopf auf dem
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