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Tierarzt

Tierarzt

Titel: Tierarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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Fenster, das auf den langen, schmalen Garten hinausging. Wie aus der Vogelperspektive sahen wir von hier oben den ungepflegten Rasen, die Obstbäume, die Glyzinie, die an den verwitterten Backsteinen bis zu unserem Fenster emporkletterte, und die hohen Mauern mit ihren alten Kappensteinen, die sich bis zu dem gepflasterten Hof unter den Ulmen erstreckten. Jeden Tag ging ich dort entlang zur Garage im Hof, aber von oben sah alles ganz anders aus.
    »Einen Augenblick, Helen«, sagte ich. »Laß mich auf diesem Stuhl sitzen.«
    Sie hatte das Frühstück auf den Arbeitstisch zurückgestellt, an dem wir immer saßen, und dies war der Punkt, wo die Schwierigkeiten begannen, denn der Tisch war sehr hoch, und unser jüngst erstandener hoher Hocker hatte die richtigen Maße, nicht aber unser Stuhl.
    »Nein, ich sitze sehr bequem, Jim. Wirklich.« Den Teller quasi in Augenhöhe, lächelte sie mir von ihrem niedrigen Platz aus beruhigend zu.
    »Du kannst nicht bequem sitzen«, erwiderte ich. »Du hältst dein Kinn ja praktisch in die Cornflakes. Bitte, gib mir den Stuhl.«
    Sie klopfte auf den Sitz des Hockers. »Komm, mach keine langen Geschichten. Setz dich und iß dein Frühstück.«
    Als ich merkte, daß es so nicht ging, versuchte ich es auf andere Art.
    »Helen!« Mein Ton war streng. »Steh von diesem Stuhl auf!«
    »Nein«, entgegnete sie, ohne mich anzusehen; trotzig schob sie die Lippen vor, was ihr einen bezaubernden Ausdruck verlieh, aber gleichzeitig bedeutete, daß sie nicht scherzte.
    Was sollte ich tun? Ich spielte mit dem Gedanken, sie vom Stuhl zu ziehen, aber sie verfügte über große Körperkraft. Wir hatten unsere Kräfte einmal gemessen, als eine kleine Meinungsverschiedenheit sich zu einem Ringkampf auswuchs, und wenn ich dieses Spiel auch gründlich genossen und letztlich gewonnen hatte, so war ich doch erstaunt gewesen, wie stark sie war. Zu dieser frühen Stunde verspürte ich keine Lust darauf. Ich setzte mich auf den Hocker.
    Nach dem Frühstück stellte Helen Wasser für den Abwasch auf – der nächste Schritt in unserem Tagesrhythmus. Unterdessen ging ich hinunter, holte meine Instrumente sowie Katgut für ein Fohlen, das sich am Bein geschnitten hatte, und trat durch die Seitentür hinaus. Genau dem Steingarten gegenüber drehte ich mich um und sah zu unserem Fenster hinauf. Die untere Hälfte war geöffnet, und ein Arm mit einem Geschirrtuch kam zum Vorschein. Ich winkte, und das Geschirrtuch winkte ungestüm zurück. So begann jeder Tag.
    Als ich aus dem Hof fuhr, überlegte ich mir, daß es ein guter Beginn war. Tatsächlich war alles gut: das lärmende Krächzen der Krähen droben in den Ulmen, wenn ich das Eisentor schloß, die würzige Luft, die mich jeden Morgen empfing, und mein mich täglich aufs neue fordernder, nie langweiliger Beruf.
    Das verletzte Fohlen war auf Robert Corners Hof, und ich hatte kaum mit meiner Arbeit begonnen, als ich Jock, den Collie, entdeckte. Ich beobachtete ihn, denn über die Hauptaufgabe hinaus, seine Patienten zu behandeln, erfährt man als Tierarzt bei der täglichen Arbeit ja auch immer viel von der Persönlichkeit der Tiere, und Jock war ein interessanter Fall.
    Hofhunde haben oft eine Vorliebe dafür, sich ein wenig Abwechslung von ihren Pflichten zu verschaffen. Sie spielen gern, und eines ihrer Lieblingsspiele besteht darin, Wagen vom Grundstück zu verjagen. Oft galoppierte, wenn ich einen Hof verließ, ein behaartes Etwas neben mir her; für gewöhnlich ließ der Hund nach ein paar hundert Metern ein letztes, herausforderndes Bellen ertönen, ehe er kehrtmachte. Doch Jock war anders.
    Er war mit Hingabe bei der Sache. Wagen nachzujagen war für ihn eine todernste Angelegenheit, der er sich tagaus, tagein ohne eine Spur von Nachlässigkeit widmete. Corners Hof lag am Ende eines ungefähr eine Meile langen, auf beiden Seiten von niedrigen Steinmauern gesäumten Feldwegs, der sich durch leicht abfallende Felder bis zur unten gelegenen Straße schlängelte, und Jock sah es als seine Pflicht an, jedes Fahrzeug bis dorthin zu begleiten. So war sein Hobby reichlich mühevoll.
    Ich beobachtete ihn, während ich die letzten Nahtstiche am Bein des Fohlens machte und dann den Verband anlegte. Er schlich verstohlen zwischen den Gebäuden umher und tat so, als nähme er nicht die geringste Notiz von mir – ja, als sei er an meiner Anwesenheit völlig uninteressiert. Doch seine heimlichen Blicke in Richtung Stall und die Tatsache, daß er ein ums andere Mal mein

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