Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer
ausschlaggebend für die zukünftige Beziehung sein werden. Dabei mache ich keine halben Sachen, mit jedem Tier baue ich eine intensive Bindung auf, die durch die körperliche Nähe fundiert wird. Ich nehme das Tier buchstäblich an Kindes statt an und lasse es Teil meiner Familie sein. Die Struktur eines Familiensystems kennt das junge Tier von seiner Tierfamilie und kann sich daher ohne große Umstellung darin zurechtfinden. Die Eltern führen die Familie an und geben die Richtung vor. Das Jungtier folgt vertrauensvoll. Und nun bin ich »die Eltern« oder ich übertrage geeigneten Tieren, die bereits bei mir leben, einen Teil dieser Rolle. Die Basis Vertrauen ist dann bald geschaffen, und darauf kann ich die weitere Erziehung aufbauen.
Die Kunst dieser Methode ist es, das Tier trotz Integration in die eigene Familie nicht zu vermenschlichen. Die tierischen Bedürfnisse müssen weiter klar sein. Dem Tier soll eine Ordnung zur Verfügung stehen, in die es sich eingliedern kann. Es in unser familiäres System aufzunehmen, bedeutet nicht,
dass es Schokolade als Betthupferl auf dem Kissen vorfindet und einen gestreiften Schlafanzug trägt. Die elterlichen Aufgaben beziehen sich nicht auf das Windeln, sondern darauf, dem Tier eine Struktur zur Verfügung zu stellen, die ihm in ihren Grundzügen bekannt ist und sein Vertrauen fördert.
In der Natur baut sich die intensive Mutter-Kind-Beziehung auf Prägung auf. Die Jungen hören, riechen, sehen die Mutter – und sind fortan auf sie geprägt. Bei Nesthockern ist dabei entscheidend, ob sie mit offenen Augen geboren werden, wie wir Menschen, oder mit geschlossenen Augen, wie Bären, Füchse, Dachse, Marder und andere. Ab dem Moment, in dem das Jungtier seine Mutter visuell wahrgenommen hat, ist es nur noch mit sehr großer Anstrengung möglich, eine Ersatzmutter zu sein oder einzusetzen. Versuche ich ein junges Wildtier, das in Not geraten ist, mit der Flasche aufzuziehen, wird es sehr viel leichter sein, wenn es anfangs noch geschlossene Augen hat.
Da Federvieh mit seinen Küken in den letzten Stunden vor dem Schlüpfen akustisch Kontakt aufnimmt, wenn diese noch im Ei sind, kann man die Jungtiere nach dem Schlüpfen nicht mehr zu einem anderen Huhn geben, da sie die Küken nicht akzeptieren würde. Als meine beste Glucke, die zuverlässig ihre Eier ausbrütet, einmal aus irgendeinem Grund von ihrem Nest gejagt wurde, kurz bevor die Jungen hätten schlüpfen sollen, kehrte sie nicht mehr dorthin zurück. Als ich Stunden später die verlassenen Eier fand, nahm ich sie mit ins Haus und legte sie auf die Fußbodenheizung, denn ich erwartete jeden Moment das Anklopfen der Küken aus dem Inneren. Bald ging es los und eins nach dem anderen kämpfte sich aus der engen Eischale in die Freiheit. Das Erste, was sie sahen, war ich. Es fand eine visuelle Prägung statt. Akustisch aber hatte bereits Frau Mama vor dem Schlüpfen der Jungen dichte Bande geknüpft. Da half mein sonorer Bariton nun
nichts mehr, gegen das Gackern, das die Kleinen schon im Ei gehört hatten, konnte ich nicht ansingen. Heute sind die zwei, die ich von diesen neun Hühnern behalten habe, handzahm, aber auf meine Stimme hören sie nicht. Werden Eier dagegen im Brutkasten ausgebrütet, wo sie vielleicht sogar schon ab und an in den letzten Tagen meine Stimme hören, dann kann ich es darauf anlegen, dass sie später auf Ruf zu mir kommen.
Die Prägung zu Säugern kann auch buchstäblich im Schlaf stattfinden. Dann lässt sich ein Lebewesen fallen, es entspannt sich auch entgegen der natürlichen Überlebensstrategien, da der Schlaf als Zeit zum Energietanken fürs Überleben ebenfalls dringend nötig ist. Aber nicht nur sie selbst entspannen. Sicher haben Sie schon schlafende Menschen beobachtet – was auch immer für ein Kerl er im Wachzustand ist, im Schlaf wirkt jeder Mensch friedlich. Die Tiere können so in ihrer intensivsten Entspannung den Geruch und das völlig friedliche Verhalten des schlafenden Menschen wahrnehmen. Sie fühlen sich in kürzester Zeit in seiner Gegenwart geborgen und bauen Vertrauen auf.
Immer muss ich mir bewusst sein: Nach dem »Verlust« der Elterntiere oder der Tiermutter bin ich für das kleine hilflose Fellbündel oder das federleichte Flaumknäuel die einzige Bezugsperson. Ich gebe dem Tierkind Vertrauen, nur so kann es sich schnell umorientieren und den Weg einschlagen, der die besten Überlebenschancen bietet: ein friedliches Zusammenleben in der neuen »Familie«. Immer
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